: Giftmüll–Passierschein auf Vorrat
■ Hamburger Umweltsenator stellt seit Monaten auf Vorrat Transportgenehmigungen Aus Hamburg Niklaus Hablützel
Lübecks Innensenator Egon Hilpert (SPD) hat gestern schriftlich alle Länderregierungen gebeten, die Mülltransporte nach Schönberg einzustellen. Der Brief dürfte in Hamburg kaum mehr als mildes Lächeln hervorrufen. Zwar hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) der Hansestadt am Dienstag entschieden, sieben Klagen gegen Hamburger Mülltransporte zur DDR–Deponie hätten „aufschiebende Wirkung“. Aber Hamburgs Umweltsenator Jörg Kuhbier hatte sich auf diesen Fall längst vorbereitet: Der Senat hat sich seit vergangenem Dezember einen Vorrat von 113 neuen Trans portgenehmigungen angelegt. Zum Vergleich: In der ganzen Bundesrepublik sind zur Zeit lediglich 153 Klagen der Stadt Lübeck gegen die drohende Vergiftung des dortigen Trinkwassers anhängig.Offiziell scheint Lübeck von dieser Papierflut nichts zu wissen. Hilpert hatte - wie berichtet - lediglich sieben Transporte angefochten. Als das Urteil des OVG gesprochen war, lagen die Ersatzgenehmigungen längst bei den 29 einschlägig bekannten Fuhrunternehmern der Stadt, fertig unterschrieben und ausgestellt auf alle wichtigen Abfallsorte. Dieses Genehmigungspolster war angelegt worden, als schon im vergangenen November das für Niedersachsen und Schleswig Holstein zuständige Oberverwaltungsgericht Lüneburg grundsätzlich die aufschiebende Wirkung der Lübecker Klagen anerkannt hatte. Kaum war damals das Urteil verkündet, liefen die Transport–Anträge beim Hamburger Amt ein, fünfzig unterschrieb der Behörden–Chef noch vor den Weihnachtstagen, weitere 63 Unterschriften folgten bald nach Neujahr. Vor allem die städtische Sonder–Müllverbrennung und das Traditionsunternehmen „Norddeutsche Affinerie“ haben sich mit Schönberg–Papieren eingedeckt. Nach Auskunft des Firmensprechers müßte die Kupfer–Affinerie ohne Schönberg dank ihrer arsenhaltigen Abfälle nach spätestens vier Wochen schließen. Das ist kaum zu befürchten. Mittlerweile findet allerdings auch die CDU–Opposition im Rathaus, so gestern ihr umweltpolitischer Sprecher, das industriefreundliche Gebaren des Senats sei „rechtlich nicht haltbar“. Vom neuen Koalitionspartner der Hamburger SPD–Regierung, der FDP, ist bisher keine Stellungnahme bekannt. Im Regierungsabkommen steht lediglich, man wolle unter anderem die Abfall–Gebühren senken.Für die GAL ist das ein sicheres Zeichen, daß auch die FDP das bislang so lukrative Schönberg–Geschäft fortsetzen will.
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