: Irre Ergebnisse des Honecker–Besuchs
■ Jede Menge Absichtserklärungen und einige wenige Verbesserungen im deutsch–deutschen Reiseverkehr krönen den Bonn–Besuch Erich Honeckers
Aus Bonn Charlotte Wiedemann
Die beliebte Frage der DDR– Grenzer „Tonträger dabei?“ werden Einreisende in die DDR künftig nicht mehr hören. Dies ist eines der brisantesten Ergebnisse des Honecker–Besuchs in Bonn. Bespielte Kassetten dürfen allerdings nicht „im Widerspruch zu den Interessen des sozialistischen Staates und seiner Bürger“ stehen. Auch die Einfuhr von Briefmarkenkatalogen ist nun erlaubt, sofern sie nicht gegen die Erhaltung des Friedens gerichtet sind. Den wartenden Presse–Hundertschaften wurden gestern die g „gutnachbarliche Beziehungen“ zueinander entwickeln, heißt es dort. Der Sprecher der DDR–Delegation wertete die Gespräche positiv, doch von einer „umfassenden Normalisierung“ sei man noch entfernt. In der Tat: Wie weit die DDR noch von einer völkerrechtlichen Anerkennung durch die BRD entfernt ist, wurde just daran deutlich, daß der DDR– Delegationssprecher seinen Abschlußbericht in einem viel zu kleinen Raum halten mußte, während Kanzleramtsminister Schäuble im Festsaal residierte. Zurück zum Kommunique: Mehr Tourismus von hüben nach drüben und umgekehrt ist erwünscht, Zugverbindungen sollen besser und schneller werden, „von deutschem Boden muß Frieden ausgehen“ und beide Seiten wollen auf die Verhandlungen zwischen Fortsetzung auf Seite 2 Auch Udo Lindenberg bekommt nun doch seinen Auftritt. Er trifft Honi heute vor dem Friedrich–Engels–Haus in Wuppertal. Am Nachmittag traf Honecker zu Einzelgesprächen mit den Bundestagsfraktionen zusammen. Der CDU/CSU–Fraktionsvorsitzende Alfred Dregger hatte bereits im Vorfeld angekündigt, daß er bei Honecker auf die Aufhebung des Schießbefehls drängen will und sich um die Rettung deut scher Kulturdenkmäler in der DDR sorgt. Kohls Tischrede vom Vortag, bei der er auf dem Wiedervereinigungsgebot beharrt hatte, lobte Dregger gestern vor seiner Fraktion ausdrücklich als „angemessen und würdig“. Volksam bekräftigte der Kanzler gestern abend an Honeckers Tisch noch einmal: „Wir halten fest an der Einheit der Deutschen Nation.“ Die Grünen sprachen mit Honecker über die Giftmüll–Deponie Schönberg und forderten die Aufhebung der andauernden Einreiseverbote für Grünen–Parteimitglieder und -Funktionsträger. Sie würdigten die DDR–Bemühungen für Abrüstung, aber forderten Spielraum für die Friedensbewegung in der DDR, die Einrichtung eines Zivildienstes und die Entwicklung einer deutsch–deutschen Friedenspädagogik.
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