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Düsseldorf: 129a–Prozeß eröffnet

■ OLG hat Anklage am ersten Prozeßtag nicht verlesen / Verteidiger fordern Einstellung des Prozesses Zuhörer beschimpfen den früheren Kronzeugen, der nun auf der Anklagebank sitzt, als „Verräterschwein“

Aus Düsseldorf Petra Bornhöft

Düsseldorf (taz) - Unter strengen Sicherheitsmaßnahmen begann gestern vor dem 5. Strafsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichtes (OLG) gegen zehn WuppertalerInnen ein sogenannter „Terroristenprozeß“. Die Anklage wirft den Beschuldigten Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a StGB vor (vgl. taz vom 13.9.). Wegen zahlreicher Anträge und einer supernervösen Verhandlungsführung des Vorsitzenden K. Arend kam es gestern nicht zur Entscheidung über die beantragte Einstellung des Verfahrens. Ein gutes Drittel der 150 Sitz plätze besetzten Polizeibeamte in Zivil. Ihren Einsatz hielt Richter Arend „zur Aufrechterhaltung der Ordnung für unumgänglich“, anderslautende Verteidigeranträge lehnte er ab. Das Erscheinen des inhaftierten Angeklagten Günter Pokorny sorgte für große Unruhe bei den Zuschauern, die wiederholt „Verräterschwein“ riefen. Aufgrund seiner (später widerrufenen) Anschuldigungen war es der Justiz gelungen, das Verfahren im zweiten Anlauf zu eröffnen. Weil die Ermittlungsbehörden und das Innenministerium die Identität des „verdeckten Kronzeugen“ dem Gericht verschwiegen hatten, beantragten mehrere Verteidiger gestern nachmittag die Einstellung des gesamten Verfahrens. Der Beschluß des Bundesgerichtshofes zur Eröffnung des Hauptverfahrens sei „unwirksam“. Dieser hatte nämlich das ursprünglich vom OLG wegen fehlender Beweise abgewiesene Verfahren vor dem gleichen Senat eröffnet, nachdem der Angeklagte Günter Pokorny seine Ex–Genossen beschuldigt hatte. Der BGH ging damals von einem neuen „Zeugen“ aus. Daß es sich hierbei rechtswidrig um einen Beschuldigten, also einen Kronzeugen handelte, war dem Gericht nicht bekannt. „Landeskriminalamt, Generalstaatsanwaltschaft und Innenministerium haben“, so eine Verteidigerin, „bewußt zusammengewirkt“, den BGH zu täuschen. Als Beweis führte die Verteidigerin zahlreiche Vermerke und Schriftwechsel der Beteiligten an und drehte schmunzelnd den Spieß um: „Handelt es sich hier um eine organisierte Willensbildung?“ fragte die Anwältin, deren Mandant eben dieser Tat beschuldigt wird. Konsequenterweise beantragten die Verteidiger, Beamte des Innenministeriums und Oberstaatsanwalt Rosenbaum als Zeugen zu vernehmen. Unmißverständlich deutete Richter Arend an, daß er den Antrag auf Einstellung des Verfahrens zum gegenwärtigen Zeitpunkt ablehnen wird. Der Prozeß wird heute fortgesetzt.

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