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Enteignet Mercedes!

■ Ein schüchterner Ruf nach dem Gesetzgeber

In allen Staaten deutscher Zunge wird beschlagnahmt, eingezogen und konfisziert. Die Juristen unterscheiden: Beschlagnahme von Akten, von ausländischen Waren, von Briefen, von Erzeugnissen des Grundstücks, von Luftfahrzeugen, von Postsendungen, von Beweismitteln, ferner die Einziehung von Bildgeräten, von Jagdbeute, von Sachen durch Strafbefehl, von Kennzeichen, von Erbscheinen, ferner und überhaupt von Gegenständen aus Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten. Man braucht diese Leidenschaft nicht zu teilen, aber solange der Staat überhaupt irgendjemandem irgendetwas ohne Gegenleistung abnimmt, muß die Frage gestattet sein: Warum interessiert er sich nicht für die erstklassigen Kraftfahrzeuge, mit denen ein Teil der deutschen Bevölkerung andere Bevölkerungsschichten niederwalzt? Niederbayrische und ostfriesische Kamikazefahrer, Abgeordnete auf Rentnerjagd, Giftgas–Trucker, Spe von der Produktion beweglicher Mordwaffen absehen. Erstrebenswert dagegen wäre es, daß auf die Benutzer von Otto–Motoren das Waffengesetz angewendet werde. Bei Mord– und Totschlagsversuchen auf der Straße fiele die Tatwaffe an den Fiskus. Innerhalb weniger Wochen würden die Behörden der Bundesrepublik über den größten Fahrzeugpark der Welt verfügen. Lastzüge, Krafträder und Luxus–Limousinen im Wert von Millionen würden sich über Nacht in Volkseigentum verwandeln. Der Staatshaushalt wäre auf unabsehbare Zeiten gesichert. Polizisten und Staatsanwälte könnten als Gebrauchtwagenhändler eine sinnvolle Beschäftigung finden, und selbst der brutalste Fuhrunternehmer, der Sport–Kretin auf Rädern, der Zweiunddreißig–Ventil–Turbo–Kinder–Killer würde sich, nach dem Verlust seiner 100.000–Mark–Kabine, seines 1,5–Millionen– Elefanten, in einen harmlosen Spaziergänger verwandeln. Hans Magnus Enzensberger

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