: Italien: Kampagne gegen Drogen und AIDS
■ Konzertierte Aktion zwischen Erziehungs–, Gesundheitsministerium und Polizei „ein Erfolg“ / Festnahmen von Dealern im Süden / Kontrollen vor Schulen / AIDS–Viren an Spritzen größte Gefahr / Drogenabhängige Schüler stark AIDS–gefährdet
Aus Rom Werner Raith
Die Bilanz ist beeindruckend: mehr als dreihundert Festnahmen alleine im Drogen–Großhändler– Paradies Calabrien, die Beschlagnahme von bis zu 200 Kilo Heroin und Kokain vor, um und in den Schulen des ganzen Landes, die Einsammlung von mehr als 50.000 gebrauchter Spritzen: Italien hat Anfang Oktober die bisher größte Kampagne gegen Drogen und AIDS durchgeführt. Dabei waren die verschiedenen Aktionen zunächst ganz separat und aus unterschiedlichen Gründen vorbereitet worden: die Razzien in Calabrien sind den Aussagen des ersten „großen“ Kronzeu gen gegen die unteritalienische, außersizilianische Mafia zuzuschreiben, dessen Namen bisher streng geheimgehalten wird. Die „drogenfreie Schule“ hatte der neue Erziehungsminister Galloni zusammen mit Carabinieri–Einheiten „als Alarmsignal“ für den Schulbeginn Ende September geplant; und die Spritzensammel– Aktion hatten sich die Gesundheitsämter eigentlich schon für den Frühsommer ausgedacht, weil an den Stränden und den Ausflugsorten, aber auch in Stadtparks und Jugendtreffs die gebrauchten Einweg–Kanülen oft zu Hunderten herumliegen. Doch da man auch die TouristInnen nicht beunruhigen wollte, verschob man die Aktion in den Herbst. Mitte September hatte ein Bericht der Nationalen Forschungsinstitute ganz Italien alarmiert: danach ist die AIDS–Ansteckung bei Homosexuellen auf nur noch einen Bruchteil der früheren Quoten zurückgegangen, während die Weitergabe des Virus bei Drogenabhängigen sich vervielfacht hat - und dabei mehr und mehr Jugendliche erwischt. Da „bot sich eine spektakuläre, sinnlich augenfällige Aufklärungs– aber auch Blockadeaktion an“, so eine gemeinsame Erklärung von Erziehungs– und Gesundheitsministerium; und das ist, so scheint es, auch gelungen. Während mehrere Tage lang im Fernsehen die Festnahmen der Großhändler in Unteritalien zu verfolgen waren, postierten sich Polizisten mit Schnüffelhunden vor und um die Schulen - und wurden bald fündig. Nicht nur, daß die Schäferhunde bei mehr als Tausend Jugendlichen Stoff aufspürten - ins Netz gingen den Fahndern auch mehrere Dealerringe, die zum Teil die Gymnasiasten und Mittelschüler direkt vor dem Schuleingang versorgten, zum Teil aber auch unter ihnen Kuriere für andere Zirkel rekrutiert hatten. Hatte die Aktion vor den Schulen zunächst einige Polemik ausgelöst, so hat sich die Stimmung mittlerweile weitgehend zugunsten einer Zusammenarbeit auch zwischen Schülern und Fahndern verändert. Wobei wohl auch die Ergebnisse von Untersuchungen an den eingesammelten Spritzen beigetragen haben, nach denen sich an den Kanülen oft sechs oder acht verschiedene Blutgruppen und auch AIDS–Viren haben nachweisen lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen