: „Nur die Südinder sind gut zu uns“
■ In der eroberten Tamilenhochburg Jaffna wird immer noch geschossen / Keine Hinweise auf indische Greueltaten
Von Derek Brown
Jaffna(wps) - Folgt man offiziellen Angaben , so ist die Schlacht um Jaffna geschlagen. Doch wer sich tatsächlich unter indischem Schutz in die Stadt bringen läßt, erfährt, daß die Siegesmeldungen mit grosser Vorsicht zu geniessen sind. Noch immer hängen Rauchwolken über den Wohnvierteln am Stadtrand, überall sind in der Ferne Schüsse zu hören und der indische Verantwortliche erklärt freiheraus, seine Männer hätten „die bedeutsamen Teile der Stadt“ unter Kontrolle, das heisst :“alles westlich der Eisenbahn“. Die heftige Explosion, die zusammen mit Maschinengewehrfeuer nur Sekunden später an unser Ohr dringt, käme „von unserer Nordostfront drei Kilometer weiter, wo unsere Jungs noch nicht bis zur Stadt durchgekommen sind“. Der neue indische Oberbefehlshaber Generalmajor Amarjit Singh Kalkat hat also nicht direkt gelogen, als er am Montag den Fall der Stadt bekanntgab, aber es ist eine merkwürdige Art von Sieg, leer und unsicher. Fast alle erfahrenen Kämpfer der Liberation tigers of Tamil eelam inklusive LTTE–Chef Prabakaran und der Kommander für Jaffna, Mahatiya, haben sich abgesetzt und niemand zweifelt daran, daß sie den Guerillakrieg binnen kurzem wiederaufnehmen werden. Die Stadt Jaffna ist zerstört , vor allem die Gegend um das alte holländische Fort im Stadtzentrum sind die Folgen zweier mit konventionellen Waffen geführten Offensiven (der srilankanischen und jetzt der indischen Armee) anzusehen. Die Strassen sind leer, die Häuser verlassen. Aber was für die Inder am frustrierendsten sein muß: die Tigers scheinen den Kampf um die Herzen und Gemüter gewonnen zu haben. Während eines aufschlussreichen Besuchs im Krankenhaus von Jaffna und einem benachbarten Flüchtlingslager traf ich nur einen einzigen jungen Mann, der die Rebellen offen kritisierte. Er erklärte:“Sie haben die Chance, die ihnen von den Indern gegeben wurde, verpaßt, Dafür hassen wir sie“. Doch um ihn herum gab es nur gegenteilige Stimmen, die versicherten, die Tigers seien „unsere Jungs“ und die Inder die Eindringlinge. Ein Mann , der zusammen mit 1.500 anderen in einer katholischen Kirche Zuflucht gefunden hatte, beschrieb das Verhalten der indischen Truppen:“ Einige Soldaten sind gut zu uns, vor allem die aus Südindien, die auch Tamil sprechen können. Aber die aus dem Norden benehmen sich ziemlich rauh“. Seine Familie sei am letzten Donnerstag von Sikh–Soldaten zum Verlassen ihres Hauses aufgefordert worden, vermutlich um das Viertel für die letzten Kämpfe zu „säubern“. Als seine Tochter protestierte, sei sie geschlagen worden. Ein anderer Mann berichtete, daß seine Tochter erschossen worden sei, als sie entgegen indischen Warnungen ins Haus der Familie zurückgekehrt sei, um ihren Schmuck zu retten. Er glaubt, es waren die Inder, doch genau gesehen hat es niemand. Auch ein Besuch im Krankenhaus hinterläßt zwiespältige Gefühle. Obschon keine zivilen Ärzte und Krankenschwesten mehr da sind, und viele der Patienten Gliedmaßen durch Bomben verloren oder Schußverletzungen erlitten haben, gibt es keinerlei Anzeichen für die von der Guerilla behaupteten „wilden Metzeleien“ mit Hunderten von Toten durch Luftbombardements. Umgekehrt läßt sich auch die indische Version, sie hätten das Krankenhaus aus Rebellenhand befreien müssen, nicht belegen. Das Gebäude ist, im Gegensatz zu vielen anderen , bis auf ein paar zerbrochene Fensterscheiben fast intakt. Es bleibt das Fazit, das die Guerilla bei der 17tägigen indischen Militäroperation bestenfalls ein wenig Prestige verloren hat. Ihre Führung ist jedoch ebenso wie die Sprengstoffvorräte noch nahezu komplett. Generalmajor Amarjit, zu deutsch „Endsieg“, hat einen Schatten erobert.
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