: Ein Mann ohne Eigenschaften
■ Über den in Frankfurt unter Mordverdacht verhafteten Andreas Eichler weiß in der Szene niemand was besonderes zu sagen / Bei der Polizei war gegen ihn als möglichen Strommastfäller ermittelt worden
Aus Frankfurt Heide Platen
Eigentlich weiß niemand sehr viel über Andreas Eichler, gegen den am Mittwoch abend ein Haftbefehl erlassen wurde. Eichler wird beschuldigt, während einer Demonstration am Montag abend an der Frankfurter Startbahn West zwei Polizisten erschossen und zwei schwer verletzt zu haben. Der 33jährige Andreas Eichler ist von Beruf Graphiker, anderen Aussagen zufolge Technischer Zeichner. In der Szene gilt er altgedienten Startbahn–Kämpfern als Neuling, der nicht von Anfang an in der Startbahnbewegung, sondern erst seit „einigen Jahren“ dabei war. Er sei recht unpolitisch gewesen und habe brav und bürgerlich gelebt. Die Wohnung, in der er verhaftet wurde, gehört seiner Freundin und liegt im selben Stadtteil wie seine eigene, in einer kleinen Siedlung mit Mehrfamilienhäusern. Dort ist nach Angaben der Bundesanwaltschaft auch die Tatwaffe gefunden worden. Andreas Eichler gilt in der Startbahnszene als einer, dem die Bewegung sozialen Halt gibt, den er auch gebraucht habe. Ansonsten sei er nie besonders aufgefallen. Bekannte von Eichler sagen, er sei eher ein stiller Mensch, und sie könnten sich einfach nicht vorstellen, daß er der Täter sei. Der Polizei war er allerdings schon mehrmals aufgefallen. Einmal stand er unter Verdacht, einen Strommast umgesägt zu haben, einmal wurde gegen ihn wegen Landfriedensbruch ermittelt. Am 9.Oktober 1986 war er zusammen mit einem Freund an der deutsch– französischen Grenze in Kehl festgenommen worden, nachdem bei einer Routine–Kontrolle in seinem Auto Leuchtpistolenmunition gefunden worden war. Bei einer anschließenden Hausdurchsuchung bei beiden waren Sägeblätter, Aufkleber und Zeitungsausschnitte beschlagnahmt worden. Die Polizei warf ihnen danach vor, beim Absägen eines Strommastes am 9.Juli in der Nähe von Hanau dabei gewesen zu sein. Ein Flugblatt hatte damals zur Solidarität mit den Inhaftierten aufgerufen. Andreas Eichler wurde nach zwei Wochen wieder freigelassen, sein Bekannter nach sechs Wochen. Auch er war am Montagabend unter den ersten Festgenommenen, ist aber inzwischen wieder frei.
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