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Linker NRW–Grüner für SPD–Koalition

■ Der nordrhein–westfälische grüne Vorstandssprecher und Ökosozialist Jürgen Dörmann verlangt „Aufbruch zur Entschlossenheit“ / Letzter Versuch, wieder „in die Offensive zu kommen“

Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Der Sprecher des nordrhein–westfälischen Landesvorstands der Grünen, Jürgen Dörmann, hat in einem 30seitigen internen Papier seine Partei aufgefordert, für die Landtagswahl 1990 „ein klares Koalitionsangebot in Richtung SPD“ abzugeben. Jürgen Dörmann, als moderater Linker im grünen Flügelstreit bisher immer in der Vermittlerrolle, drängt seine ParteifreundInnen, endlich aufzuzeigen, „wie gesellschaftliche Veränderungen schrittweise in Richtung unserer Utopie durchgesetzt werden können“. Im Vorfeld der für Anfang des nächsten Jahres in Nordrhein– Westfalen geplanten grünen Strategiedebatte hofft Dörmann, daß die Grünen durch ein ehrliches Koalitionsangebot wieder „in die politische Offensive“ kommen. Dabei gelte es „unter Beweis zu stellen und glaubwürdig zu vermitteln, daß wir für einmal beschlossene Verträge sind und daß einmal festgelegte Bedingungen einer Koalition Bestand haben“. Voraussetzung für ein solches Angebot im Frühjahr 1989 sei die innerverbandliche „Konsolidierung“. Die Bereitschaft zur Übernahme von „politischer Verantwortung“ bis hin zur Besetzung von Ministerien soll insbesondere grünlichen SPD–Wählern signalisieren, daß eine Stimme für die Grünen auch ein Votum gegen rot– schwarze oder rot–gelbe Koalitionen ist. Nicht an den Grünen, so die Botschaft, werde rot–grün scheitern, sondern allenfalls an der Sturheit von Johannes Rau. Obgleich das umfangreiche Papier von kurzfristigen taktischen Überlegungen durchsetzt ist und von der Angst, im Kampf zwischen Rau und Blüm „zerrieben“ zu werden, läßt Dörmann keinen Zweifel, daß für ihn der bundesdeutsche Staat für eine neue Politik „Handlungsmöglichkeiten of fenläßt“ und „nicht als Instrument einer Gruppe funktioniert“. Jedes Abwarten und Hoffen auf „die gesellschaftliche (Selbst–)Revolutionierung aufgrund der Verhärtung von Klassengegensätzen“ hält der Vorstandssprecher für fatal. Der Vorstoß des aus der ökoso zialistischen Ecke kommenden Dörmann deckt sich mit vielen Vorschlägen weniger promineter NRW–Grüner, die derzeit in der Partei kursieren. Die Partei, entmutigt und frustriert, schickt sich offenbar an, in einem letzten Anlauf alles zu versuchen, den Abstieg in die endgültige politische Bedeutungslosigkeit zu verhindern. Der „Aufbruch zur Entschlossenheit“, die eigenen Ziele in „realisierbare Schritte“ umzusetzen, „ist längst überfällig - aber immer noch möglich“, heißt es etwa noch hoffnungsvoll in einem Papier aus dem Realo–Lager.

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