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... und sie vertragen sich doch!

■ Bürgermeister Dohnanyi setzte sich durch: Vertrag für die Hafenstraße perfekt / Entfestigung, aber keine Entfestigungsparty am Hafenrand / Mit Presslufthammern Befestigungen beseitigt / Staatsanwalt suchte Piratensender / Betonfraktion im Senat stinksauer

Von A.Kintzinger/P.Bornhöft

Hamburg (taz) - Der Senat tagte nur zwei Stunden. Danach war perfekt, woran noch vor drei Tagen niemand zu glauben hoffte: Die BewohnerInnen der bunten Häuser in Hamburgs Hafenstraße verfügen über einen Pachtvertrag. Nachdem gestern nachmittag die letzte von Bürgermeister Dohnanyi gestellte Frist mit der nun schon bekannten Pünktlichkeit eingehalten wurde und die Befestigungsanlagen in und auf den Häusern entfernt worden waren, unterschrieb der sozialliberale Senat abends das Vertragswerk. Dohnanyi: „Ich bin zuversichtlich, daß auf diesem Weg endlich ein Konflikt gelöst werden kann, der Hamburg jahrelang vergiftet hat.“ Unmittelbar vor der Senatssitzung war der FDP–Vorstand nochmals umgekippt und hatte grünes Licht für den Vertrag gegeben. Wieviele Gegenstimmen es im SPD/FDP–Senat gegeben hat, wollte Dohnanyi nicht sagen. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 In der Hafenstraße hielt die Spannung bis zuletzt an. Mehrere tausend Polizisten waren in den letzten beiden Tagen aus dem gesamten Bundesgebiet nach Hamburg gekarrt worden. „Die Bewohner haben ganz viel gearbeitet. Das, was abbaubar war, ist abgebaut worden“, stellte der von der Hafenstraße berufene Architekt Günter Trommer nach der Begehung aller Häuser kurz vor drei Uhr nachmittags fest. Der vom Senat geschickte Oberbaurat Adolf Lührs vom Bezirksamt Mitte wollte sich vor Ort noch nicht äußern, sondern erst dem Senat Bericht erstatten. Beide zusammen hatten bei einer ersten morgendlichen Begehung eine Liste der abzubauenden Befestigungen erstellt. Gegen Mittag waren dann die Stacheldrahtrollen auf den Dächern teils aufgerollt, teils besei tigt. Eine Vermummte kehrte sogar ein Dach. Gitter und Holzplatten wurden von den Fenstern gerissen. Einige Türen standen schon offen, bei anderen wurden die Stahlteile abgeschweißt. Die Geräte dafür borgte die Feuerwehr. „Zahlt alles Dohnanyi“, grinste einer. Weitere technische Hilfe, die der Senat versprochen hatte, war allerdings erst - verspätet - um elf Uhr eingetroffen. So jaulten die Preßlufthammer, teilweise geführt von städtischen Arbeitern, auch noch nach zwei Uhr, um die letzten Reste der Betonpoller vor den Häusern zu beseitigen. Bei dieser zweiten abverlangten Abrüstung war keine Volksfeststimmung mehr wie vorgestern zu spüren, sondern eher Ernüchterung. Strahlend gut gelaunt zeigten sich nur der SPD–Landesvorsitzende Ortwin Runde und Sozialsenator Jan Ehlers, beide vom linken Flügel der Partei, die die Arbeit vor Ort besichtigten und voller Opti mismus von der bevorstehenden friedlichen Lösung sprachen. Die Ernüchterung der BewohnerInnen wuchs, als gegen halb vier Staatsanwalt Sigmund, mehrere Staatsschutzbeamte und Postler auftauchten, um das seit gestern morgen schweigende „Radio Hafenstraße“ zu suchen. Die staatliche Maßnahme, die auch testen sollte, ob Amtspersonen, wie vom Bürgermeister verlangt, Zutritt zu den Häusern gewährt werde, war zwar hinter den Kulissen abgesprochen, dennoch machte sich leise Unruhe breit, als die Offiziellen auch Plakate in den Räumen abfotografierten. Granaten, die die Springer–Presse in den vergangenen Wochen in den Kellern gesichtet haben wollte, fanden sie allerdings nicht.

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