: D O K U M E N T A T I O N Redeverbot für legendären ANC–Führer
■ Versammlung mit dem nach 23 Jahren aus der Haft entlassenen ANC–Führer Mbeki verboten / Auszüge aus seiner Rede
Aus Johannesburg Hans Brandt
Eine Versammlung, bei der der vor kurzem aus 23jähriger Haft auf der Gefängnisinsel Robben Island freigelassene, führende Vertreter des verbotenen Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), Govan Mbeki, zum ersten Mal vor Tausenden von Schwarzen sprechen sollte, wurde am späten Freitag abend von der südafrikanischen Polizei verboten. Der Leiter der Polizei in der Hafenstadt Port Elizabeth, Ernest Schnetler, begründete das Verbot infolge des Ausnahmerechts mit der Behauptung, daß die für die Township Zwide für Samstag geplante Versammlung die „öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden“ würde. Der Leiter der Sicherheitspolizei, Generalleutnant Johann van der Merwe, behauptete gegenüber Journalisten, daß „Mbeki seine Anweisungen vom ANC erhält und vom ANC manipuliert“ wird. Die Versammlung würde deshalb zweifellos zum „revolutionären Klima“ beitragen. Die Veranstaltung war Mitte der Woche von den zuständigen Behörden genehmigt worden. Die Organisatoren hatten mehr als 50.000 Besucher erwartet, darunter auch die Botschafter der Bundesrepublik und anderer westlicher Länder. Eine dringende gerichtliche Berufung gegen das Polizeiverbot blieb am Samstag erfolglos. Mbekis Freilassung wird allgemein als Test für die Möglichkeit der Freilassung von Nelson Mandela interpretiert. Auch mit der Mbeki–Versammlung wollte die Regierung wohl die Reaktion der Bevölkerung auf einen der legendären ANC–Führer der fünfziger Jahre testen. Ohne Zweifel wurde die Versammlung anfänglich nur nach Rücksprache mit führenden Regierungsvertretern genehmigt. Auch das Verbot vom Freitag muß letztendlich aus höchster Instanz gekommen sein. Der Rückziehe auch die baldige Freilassung Mandelas unwahrscheinlich. Mbeki verlas die Rede, die er bei der Versammlung halten wollte, am Samstagabend vor Journalisten. Es folgen Auszüge aus der Rede: „Ich spreche zu Euch als ein Mann, der so bewegt ist, daß er fast sprachlos ist. Nach 23 Jahren der öden Isolation in einer Gefängniszelle, erfahre ich nun die unbeschreibliche Freude und große Schönheit, mit Euch Kontakt haben zu können. (...) In den 23 Jahren, die ich auf Robben Island verbracht habe, habe ich meine geistige Dimension erreicht. (...) Ich bedauere diese Erfahrung nicht. Ich habe getan, was ich tun mußte. Aber ich habe Robben Island auch schweren Herzens verlassen. Ich habe im Kerker meine engsten Freunde zurückgelassen, einige der großen Männer Afrikas und die besten, glorreichsten Vertreter der Jugend Afrikas. (...) Keiner von uns kann sich als frei betrachten. Es gibt auch keine Freiheit für die Weißen, die sich im Griff der Laster der Angst und der Habgier befinden. Apartheid entfremdet die Bürger dieses Landes von einander und isoliert uns von der universellen Familie der Menschheit. Diese Häresie muß entfernt werden und bis sie entfernt ist, wird keiner von uns frei sein. (...) Der Geist, der die schwarze Bevölkerung dazu gedrängt hat, für ein nichtrassistisches, demokratisches und ungeteiltes Südafrika gefüllt mit Liebe und Gerechtigkeit zu arbeiten, schlägt stark in jeder Gasse und jeder Straße der Townships. Ihr, meine Kinder und Freunde, seid nie verzweifelt. Wir werden triumphieren. Wir werden siegen. (...) Letzendlich muß der Sieg kommen durch die effektive Beteiligung aller Menschen diese Landes an der Einführung von Strukturen, die das alte Südafrika ausmerzen und ein neues aufbauen. (...) Es gibt einen Gesang, einen Geist, der alle Menschen adelt und verherrlicht und die heute lebenden Menschen vereinigt mit den Menschen der Vergangenenheit und denen, die noch nicht geboren sind. Dieser Gesang drängt heute auf Ausdruck und Erfüllung in Südafrika. Er ist zu lange unterdrückt und vergiftet worden. Deshalb rufe ich Euch, meine Zuhörer, bescheiden dazu auf, Eure Liebe und Zuneigung für mich auf eine Weise zum Ausdruck zu bringen, die mir die größte Freude machen wird: die Freude der Hingabe an den Aufbau eines demokratischen, nichtrassistischen und ungeteilten Südafrikas, für das so viele gelitten haben und gestorben sind, nach dem so viele sich sehnen und um das so viele trauern.
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