: Reiseerleichterungen im Osten
■ Eine Reihe von sozialistischen Staaten haben neue Visaregelungen für ihre Bürger getroffen / Ungarn dürfen auch in den Westen ohne Sichtvermerke / BRD bleibt bei restriktiven Einreisebestimmungen
Von Erich Rathfelder
Berlin (taz) – Es wird ernst mit den oftmals versprochenen Reiseerleichterungen für die Menschen hinter dem „Eisernen Vorhang“. In einigen sozialistischen Ländern sind zur Jahreswende neue Bestimmungen in Kraft getreten, die die Reiselust ihrer Bürger fördern dürften. Vorreiter dieser Entwicklung ist Ungarn, das kurzerhand die Ausreisevisa auch für das westliche Ausland abschaffte und somit allen Bürgern freie Reisemöglichkeiten einräumt – wenn sie über die nötigen Devisen verfügen. Mittlerweile bricht die Reisetätigkeit der Polen alle Rekorde. Über fünf Millionen Bürger zog es 1987 ins Ausland, über 1,129 Millionen waren im Westen. Die Behörden überlegen sogar, die zweckgebundenen, für nur eine Reise gültigen Reisepässe in Dauerreisepässe umzuwandeln, eine für die meisten Länder des Ost-Blocks nahezu revolutionäre Entscheidung. Und die DDR hat mit ihren Lockerungen für Reisen in die Bundesrepublik nicht nur für Rentner für positive Kritiken im Westen gesorgt.
Sogar die Sowjetunion hat nun damit begonnen, die langwierigen Ausreiseprozeduren für Reisen ins Sozialistische Ausland abzukürzen. Seit dem 1.1.88 dürfen die Bürger Moskaus, Leningrads und anderer Unionshauptstädte versuchsweise ohne Wartezeiten reisen, eine Neuerung, an deren Ausweitung in den nächsten Jahren sich Hoffnungen knüpfen.
Auch in der CSSR und Bulgarien sind Diskussionen über Reiseerleichterungen im Gange, nur das Rumänien Ceausescus bleibt hinter dieser Entwicklung zurück. Doch kaum haben die schüchternen Versuche der realsozialistischen Länder Hoffnungen in der Bevölkerung aufkeimen lassen, sind schon neue Schwierigkeiten in Sicht.
„Wir haben den Eisernen Vorhang beseitigt“, erklärte das ungarische Politbüromitglied Gyorgy Aczel bei einem Besuch in Paris, „und wir wollen nicht, daß er jetzt auf der anderen Seite wieder heruntergelassen wird“. Anlaß für diese Klage bildete für ihn der Visazwang, den die Bundesrepublik trotz der Budapester Bemühungen für ungarische Staatsbürger aufrechterhalte, und zwar auch über den 1.Januar 1988 hinaus. Anscheinend sei auch Paris „von der Perspektive nicht erbaut“, daß künfig Ungarn über die deutsche Grenze nach Frankreich einreisen könnten, klagte er.
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