piwik no script img

Italiens Radikale – künftig ohne Pannella

Aus Groll über die Verwässerung der „Transnationalität“ zieht sich der Parteiführer zurück / Die zur Mehrheit gewordene Anti-Pannella-Fraktion lehnte auch gleich Gandhi als neues Parteisymbol ab / Das Ende des „Pannellismus“ rückt näher  ■ Aus Rom Werner Raith

Mit dem verärgerten Rückzug des bisher unbestrittenen Vordenkers Marco Pannella aus der „Radikalen Partei“ endete in der Nacht zum Donnerstag der 34. Kongreß des „Partito Radicale“ (PR) in Bologna. Gewohnt an fast blinde Gefolgschaft seines Parteivolks, schmollt der 58jährige, weil eine satte Mehrheit von über 70 Prozent einen Beschluß angenommen hat, der nach Pannellas Meinung seine Lieblingsidee „bis zur Unkenntlichkeit entstellt“ – die Auflösung des italienischen Parteiverbandes und die Gründung einer „transnationalen“ radikalen Partei.

Die Parteimitglieder fanden die Grenzüberschreitung zwar überaus attraktiv – doch einen völligen Rückzug aus der nationalen Politik mit den damit verbundenen Verlusten an Wahlkampfgeldern und Spenden mochten sie doch nicht so Hals über Kopf durchführen. So behalten sich die Radikalen eine deutlich auch italienische Identität vor, wählten statt des „transnationalen“ Vorstandes einen traditionellen nationalen und wollen Pannellas Idee eher als Utopie denn als Konkretum verstanden wissen.

Daß der bisher unumschränkt herrschende Parteigründer mit seiner Idee des parteilichen Grenzüberschreitens mächtig ein brach, ist Folge einer weitgehend oberflächlichen und teilweise auch arroganten Vorbereitung des Kongresses.

Die meisten Mitglieder und auch Vorständler wußten bis wenige Stunden vor Tagungsbeginn noch nicht einmal, worum es am Ende gehen werde; die Programmpunkte beschränkten sich – trotz einer vom scheidenden PR-Sekretär Giovanni Negri brav heruntergelesenen 60-Seiten Rede – auf wenige Punkte wie Drogen-Liberalisierung, ein Europa des Rechts, Anti-Totalitarismus, Kampf gegen den Hunger in der Dritten Welt. Für viele Delegierte eher Grund zur Depression, war man mit diesen Themen doch schon im Mikrokosmos Italien nicht vorangekommen; die Beschwörung Pannellas, daß man die Probleme gerade deshalb international anpacken müsse, zog offenbar nicht.

Zusätzlich verwirrt hat, daß die Irritationen der letzten Monate nicht – wie von vielen erhofft – ausgeräumt wurden: von der unklaren Stellung zur mittlerweile weltbekannten Porno-Frau Ilona Staller bis zum Wahldebakel vom vergangenen Juni. Natürlich sitzt nun der Schock über Pannellas Abgang tief. Doch klein beigeben will die unversehens zur Mehrheit gewordene Anti-Pannella-Front auch nicht mehr – so schmetterte sie gleich noch die Idee ab, das Bild des indischen Friedenskämpfers Gandhi als künftiges „transnationales“ Parteisymbol einzuführen. Alles, wozu sich die Radikalen bereitfinden mochten, war die Wahl eines Pannella-Intimus zum neuen Parteisekretär. Sergio Stanzani, 64, soll nun – quasi als einziger konkreter Auftrag – „zwischen der Partei und Pannella vermitteln“.

Der Pannellismus, die Konzentrierung einer ganzen Partei auf eine Führungsfigur, geht offenbar wirklich dem Ende entgegen. Skurrilerweise begräbt dies möglicherweise auch die bisher aufregendste Idee des 30 Jahre lang „herrschenden“ enfant terrible der italienischen Politik.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen