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Wahlreform soll Regierung Goria aushebeln

Christdemokraten, Kommunisten und Republikaner planen eine tiefgreifende Änderung der italienischen Verfassung / Die Tage des Kabinetts Goria scheinen gezählt / Taktischer Zug auch gegen Sozialistenchef Craxi / Kommen Kommunisten in ein neues Kabinett?  ■ Aus Rom Werner Raith

Während Italiens Ministerpräsident Goria im fernen Indien auf Besuch weilt, laden zuhause die Heckenschützen ihre Gewehre: sie brachten das provisorische Haushaltsdekret zu Fall, ohne das absolut nichts geht, weil der reguläre Etat (wegen interner Streitigkeiten) noch nicht verabschiedet ist. Die Tage des Kabinetts um den Frischling Goria – mit 44 Jahren jüngster Ministerpräsident Italiens – sind endgültig gezählt, selbst wenn die fünf Herrschaftspartner Christdemokraten, Sozialisten, Sozialdemokraten, Republikaner und Liberale den gelernten Banker noch bis zur Verabschiedung des Haushalts 1988 im Amt lassen.

Die Krise hat der Sozialistenchef Bettino Craxi ausgelöst. Immer klarer ist ihm in den letzten Wochen geworden, daß die beiden „großen“ Parteien Christdemokraten (34 Prozent) und Kommunisten (28 Prozent) ihn mit seinen 15 Prozent künftig nicht mehr als „den“ Entscheidungsträger der italienischen Politik akzeptieren wollen. Fünf Jahre hatte er diese Rolle glänzend durchgehalten – zuerst in dreieinhalb Jahren als Regierungschef, seither als „Opposition“ innerhalb des Regierungsbündnisses.

Seit einigen Monaten hat er den Senioren des italienischen Machtkartells ganz gegen deren Willen eine Verfassungsdebatte aufgedrängt – die diese nun mit einem schlauen Dreh gegen ihn zu wenden versuchten. Der machthungrige Craxi strebt eine „Zweite Republik“ an, nach dem Model De Gaulles in Frankreich, mit einem vom Volk direkt gewählten „starken“, „politischen“ (d. h. nicht nur repräsentativen) Präsidenten – der selbstverständlich, zunächst einmal Craxi heißen soll. Die „Großen“ widerstanden zunächst der Verfassungs-Fummelei, und so konnte Craxi abwechselnd mal die DC, mal den PCI als „verstaubt“ vorführen und den Eindruck erwecken, nur er stehe für ein modernes Italien (wozu ihm auch allerhand Gelder aus der aufstrebenden High Tech-Welt zuflossen). Überraschend nun haben sich vorige Woche gerade die „Angestaubten“ zu Reformen bereiterklärt – aber ohne Craxi. DC-Chef De Mita und Meinungsführer des PCI, Occhetto, haben zwei Punkte aus dem „Mängel“- Katalog der derzeitigen Verfassung zur Modifikation freigege ben: die bisher absolut identischen Aufgaben der beiden legislativen Kammern (Abgeordnetenhaus und Senat), die eine flüssige Gesetzgebung behindern, sowie den Abstimmungs-Modus im Parlament, wo nur bei der Vertrauensfrage offen, sonst aber geheim votiert wird, was inzwischen Koalitionsabgeordneten traditionell Gelegenheit gibt, Regierungs- oder Ministervorlagen zu Fall zu bringen.

Weiterhin soll auch das Wahlgesetz modifiziert werden. Das Modell soll etwa folgendermaßen aussehen: Um überhaupt zur Wahl zugelassen zu werden, muß jede Partei erklären, mit welcher anderen sie zusammenarbeiten wird. Der bei der Wahl siegreiche Parteienblock bekommt soviel Mandate zusätzlich zugesprochen, daß er bequem über der absoluten Mehrheit im Parlament liegt. Das würde auf Dauer die jeweils kleineren Parteien für die Legislaturperiode an den Senior binden.

Für eine solche Verfassungsänderung sind zwei Drittel der Abgeordneten notwendig; DC und PCI bringen das schon auf, sind sich aber ihrer eigenen Leute nicht ganz sicher – also dachte PSI- Craxi, daß gegen ihn nichts gehe. Doch nun haben die Kommunisten überraschend nur noch die Republikaner konsultiert, und deren Einverständnis signalisiert für Craxi noch höhere Gefahr, sind die Republikaner doch das Sprachrohr der Industrie. Craxi mußte daher die Regierungskrise ganz schnell provozieren. „Vorgesehen“ war ein neues Kabinett erst für Frühjahr, wenn im April der christdemokratische Parteikongreß den derzeitgen Chef De Mita wiedergewählt hat oder auch nicht – in diesem Fall sollte er ins Amt des Ministerpräsidenten wechseln.

Mit dem für die nächsten Tage, allenfalls Wochen voraussehbaren Bruch wirft nun Craxi seinerseits diese Planung durcheinander. Die DC scheint allerdings entschlossen, sich diesmal der Herausforderung direkt zu stellen und notfalls sofort mit der PCI zu paktieren. Die Kommunisten fühlen sich natürlich pudelwohl – nach Jahren der Bedeutungslosigkeit und des Wählerschwunds – träumen sie bereits von einer Regierungsbeteiligung. Das könnte wieder einmal auf den notorischen Hörfehler des PCI zurückzuführen sein: wie schon zu Zeiten Aldo Moros vor zehn Jahren, wollen De Mitas Mannen den PCI allenfalls zur Überwindung einer für sie gefährlichen Situation nutzen. Dazu reicht jedoch eine zeitlich eng beschränkte Zweckkoalition mit der einzigen Aufgabe der Verfassungsänderung. Craxi wäre dann in seinem Präsidialwillen gezähmt und künftig gezwungen, in dem Parteienblock mitzumachen – und zwar nicht als „Macher“, sondern als Juniorpartner, gleichgültig, mit wem er zusammengeht.

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