PORTRAIT: Von der IRA zu amnesty
Sean MacBride, Träger von Nobel- und Lenin-Preis, IRA-Kämpfer, Außenminister, Mitbegründer von ai ist tot ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck
Sean MacBride ist am Freitag, kurz vor seinem 84. Geburtstag, in seinem Haus in Dublin gestorben. MacBride war der international bekannteste irische Politiker, Mitbegründer von Amnesty International und der einzige Mensch, dem sowohl der Friedensnobelpreis, als auch der Lenin-Preis verliehen wurde. MacBride war von frühester Kindheit mit Politik konfrontiert. Sein Vater John
MacBride wurde 1916, nach dem mißlungenen Osteraufstand gegen die britische Besatzung Irlands, hingerichtet. Seine Mutter Maud Gonne war eine radikale Anti- Imperialistin, die in Irland längst zur Legende geworden ist. Schon als 15jähriger wurde Sean MacBride Mitglied der „Irisch- Republikanischen Armee (IRA)“, nachdem er sein Alter gefälscht hatte. 1936 war er Stabschef der IRA, verließ sie jedoch drei Jahre später und begann eine Karriere als Rechtsanwalt und Politiker.
MacBride war immer ein umstrittener Politiker, und selbst seine Freunde und Anhänger waren nie vor Überraschungen sicher. 1946 gründete er seine eigene Partei, „Clann na Poblachta“, die auf Anhieb zehn Parlamentssitze gewann. MacBride wurde Außenminister in der Koalitionsregierung mit der konservativen „Fine Gael“-Partei. In dieser Funktion verhinderte er u.a. Irlands NATO-Beitritt. Kritiker warfen ihm jedoch vor, der reaktionären „Fine Gael“-Regierung an die Macht verholfen und deren katholische Politik vertreten zu haben. 1961 half MacBride, Amnesty International zu gründen, deren Präsident er bis 1974 blieb. Gleichzeitig übernahm er verschiedene Ämter bei den Vereinten Nationen. Für seinen Einsatz bei der Ausarbeitung der UN-Menschenrechtsdeklaration erhielt er 1974 den Friedensnobelpreis. In den letzten Jahren forderte er immer wieder den britischen Rückzug aus Nordirland und setzte sich für die irischen politischen Gefangenen ein. Andererseits ließ er sich von erzreaktionären katholischen Organisationen für deren Kampagne gegen Abtreibung und Ehescheidungen benutzen. So wird das politische Spektrum der Trauergäste bei der Beerdigung, die heute in Dublin stattfindet, sehr breit sein.
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