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Szenen einer Ehe vor der Hochzeit

Die Entscheidung der britischen Sozialdemokraten, mit den Liberalen zu fusionieren, führt zur Abspaltung des rechten Parteiflügels unter Führung des Kanaldoktors Owen  ■ Aus London Rolf Paasch

In Großbritanniens Parteienlandschaft wird weiter fusioniert, daß nur so die Fetzen fliegen. Obwohl die Delegierten der britischen Sozialdemokratischen Partei (SDP) am Sonntag in Sheffield am Ende mit großer Mehrheit für die Hochzeit mit den Liberalen stimmten, hatte der Ablauf des Sonderparteitages eher an die allbekannten „Szenen einer Ehe“ erinnert. Nachdem der ehemalige Parteiführer David Owen seine Anhänger zur Stimmenthaltung aufgerufen hatte, bedeutete das von seinem Nachfolger Robert Maclennan eindringlich beschworene Ja- Wort zur Fusion mit den Liberalen (“Die Alternative wäre Impotenz“) gleichzeitig die Scheidung der sozialdemokratischen Mehrheit von Dr.Owens Rest-SDP. Dieser abtrünnige Parteiflügel gleicht einer Art Kanalarbeiterfraktion, deren politische Vorstellungen sich kaum noch von denen der Regierung Thatcher unterscheiden. Arrogant wie er ist, bot David Owen der neuzubildenden sozialliberalen Partei anschließend ein Wahlbündnis an; was deren Führung jedoch dankend ablehnte. Schließlich hatte man den Hochzeitspfad nur deswegen eingeschlagen, weil sich mit der bisherigen sozial-liberalen Allianz genau ein solches Wahlbündnis als äußerst unfruchtbar erwiesen hatte. Bevor die Ehe der beiden Parteien perfekt ist und Dr.Owens Fanclub endlich zur vierten Kraft in der britischen Politik verkommen kann, müssen ihr noch die Mitglieder beider Gruppierungen zustimmen. Dies wird nicht vor März geschehen. Bis dahin haben die Vertreter der organisierten Mittelklasse noch reichlich Zeit zu beweisen, daß ihre internen Auseinandersetzungen längst die Bitterkeit der berüchtigten Flügelkämpfe in der Labour Party erreicht haben, deretwegen sie die Partei der Arbeiterklasse vor sechs Jahren verlassen hatten. Der Versuch, Großbritanniens Mittelschichten mit dieser dritten Partei zu einer neuen politischen Rolle zu verhelfen, ist seitdem gründlich danebengegangen. Die Konservativen werden weiter über das Mehrheits-Wahlrecht ihre Macht sichern. Und alles deswegen, weil sich die historische Spätgeburt der britischen middle class – nicht mehr dazu aufraffen kann, mit Labour die Partei der working class zu wählen.

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