: SPD schwenkt in Rheinhausen um
Unmißverständlich ist die SPD in Nordrhein-Westfalen von der Forderung abgerückt, den Stahlstandort Rheinhausen aufrecht zu erhalten / Auch IGM-Chef Steinkühler hält angeblich Schließung für unabwendbar ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs
Die nordrhein-westfälische SPD- Fraktion hat am Dienstag ein Papier zur Zukunft der Montanregionen verabschiedet, in dem ausdrücklich auf die Forderung nach Erhalt des Stahlstandortes in Rheinhausen verzichtet wird. Für die SPD, so heißt es wörtlich in dem Beschluß, „sind Schließungen von Stahlwerken an Rhein und Ruhr nur dann sozial akzeptabel, wenn Zug um Zug in angemessenem Umfang neue Arbeitsplätze geschaffen werden“. Mit dem Aufbau „zukunftsträchtiger Industrien mit der gleichen Zahl von Arbeitsplätzen“, so ergänzte der SPD-Fraktionschef in Nordrhein- Westfalen, Friedhelm Farthmann, vor Journalisten, sei „dem Standort Rheinhausen mehr gedient“, als „etwas aufrecht zu erhalten, von dem wir wissen, daß es irgendwann zu Ende ist“.
Mit Resolutionen für den Erhalt des Stahlstandortes Rheinhausen, die doch nur in den Papierkorb wanderten, sei den Stahlarbeitern am wenigsten gedient. Wer nicht erkenne, daß die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen „die bessere Alternative ist, der ist nicht richtig im Kopf“, sagte Farthmann wörtlich. Demgegenüber hatte sich der SPD-Parteichef Hans-Jochen Vogel bei seinen Besuchen in Rheinhausen immer für den Erhalt des Stahlstandortes ausgesprochen und die Arbeiter ermuntert, lauthals weiter zu demonstrieren. Auch der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Schnoor (SPD) hatte sich vor Ort eindeutig festgelegt. Schnoor in der Krupp- Kantine wörtlich: „Wir nehmen nicht hin, daß der Standort Rheinhausen vernichtet wird“.
Mit dem Fraktionsbeschluß ist jetzt klar, daß es genau andersherum läuft. Ähnliches wird auch aus einem umfangreichen Papier deutlich, das Ministerpräsident Johannes Rau dieser Tage den Partei- und Fraktionschefs von CDU und FDP zukommen ließ. In der 48 Seiten umfassenden Stellungnahme „Ökologische und ökonomische Erneuerung des Industrielandes Nordrhein-Westfalen“, die auch als Positionsbeschreibung für die künftigen Montankonferenzen in Bonn und Düsseldorf zu verstehen ist, taucht Rheinhausen überhaupt nicht auf. Am Eingang des Betriebsratsbüros in Rheinhausen hängt dagegen immer noch ein Brief des SPD- Landesgeschäftsführers Bodo Hombach, der den um den Erhalt des Standortes ringenden Betriebsrat zu Anfang des Kampfes folgendes schrieb: „Eine SPD, die auch nur eine Sekunde Eure Interessen vergißt, ist es nicht wert zu existieren. Eine SPD, die nur einen Millimeter von Eurer Seite weicht, gibt sich selber auf“.
Erstmals öffentlich hat jetzt auch der IG Metall-Vorsitzende Franz Steinkühler den Stahlstandort Rheinhausen quasi abgeschrieben. Einem Bericht der Westfälischen Allgemeinen Zeitung (WAZ) zufolge geht es Steinkühler nur noch darum, die Schließung herauszuzögern. Dazu fordert der IGM-Chef, dessen verbales Bekenntnis für den Erhalt des Standortes ohnehin in Rheinhausen niemand ernst genommen hat, zusätzliche öffentliche Mittel. Bis zur Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen müßten diese Mittel, so Steinkühler laut WAZ, „aus verschiedenen Töpfen finanziert werden“.
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