:
Ein historischer Augenblick: Das Fernsehen darf jetzt ins britische Unterhaus ■ Aus London Rolf Paasch
„Schalten Sie, meine lieben britischen Mitbürger, Ihren Fernseher ein. Wir stellen Ihnen vor, TV proudly presents: Die Maggie and Neil Show, parlamentarische Wortgefechte und Schlammschlachten live auf ihrem Bildschirm. Spitting Image, in dem die häßlichen Puppen durch noch häßlichere reale Parlamentarier ersetzt werden, die ihnen direkt ins Wohnzimmer spucken.
Wir Fernsehleute werden den müden Volksvertretern schon das Herumlümmeln in den Holzbänken unseres Unterhauses vertreiben. Und stellen Sie sich nur vor, wie dieser nach dem Einzug der Kameras ins House of Commons demnächst aussehen wird: Keine speckigen Rockschöße mehr oder unmögliche Krawatten auf verschossenen Hemden. Sie werden das ehrenwerte Mitglied des Parlaments für Duckworth-Süd aus ihrem Wahlkreis in seiner schnieken Armani-Tracht kaum noch wiedererkennen, wie er vorbildlich auf seinem Parlamentsbänkchen hockt, ganz geil darauf, auch im Fisheye-Ausschnitt der Kameras noch gut „rüberzukommen“. Auch die ewige Schwänzerei wird aufhören. Selbst bei der langweiligsten Debatte wird die Volkskammer so voll sein wie die Wartezimmer unserer Gesundheitsdienste. Schauen Sie sich doch nur einmal unsere im Scheinwerferlicht bereits mutierte Premierministerin an. Sie hat die wunderbare Verwandlung von der Politikerin zur tv-Personality bereits hinter sich. Um ihrer Stimme das richtige soziale Timbre zu geben, hat sie Kreide gefressen, okay, das wirkt auch im Radio; aber ihre Haartracht, schauen Sie sich doch nur mal die auf die Weitwinkelperspektive zurechtgestylte Ballonfrisur an. Oppositionführer Neil Kinnock wird sich bei seiner reflektierenden Glatze einiges einfallen lassen müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen