: Trotz Atomskandal: SPD übt Nachsicht mit RWE
NRW-Sozialdemokraten beschlossen „Empfehlungen“ an sozialdemokratische Mandatsträger beim RWE / „Keine Forderungen, die den Unternehmen schaden“ ■ Aus Düsseldorf Petra Bornhöft
Der SPD-Landesvorstand in Nordrhein-Westfalen hat es erneut versäumt, einen entschiedenen Schritt im Ausstieg aus der Atomenergie zu tun. Auf seine Initiative hin haben 14 Kommunen stattdessen einstimmig beschlossen, künftig die Arbeit im Verband der kommunalen Aktionäre (VKA) beim RWE zu koordinieren und auf eine Umsetzung der SPD-Parteitagsbeschlüsse zum Ausstieg irgendwann im nächsten Jahrtausend hinzuwirken. Mit 60 % ist der VKA Mehrheitsaktionär des RWE; zwei Drittel der Verbandsmitglieder stammen aus SPD-regierten Gemeinden und Städten. Unmittelbare Auswirkungen auf die in der nächsten Woche stattfindende RWE-Hauptversammlung hat das in die Hanauer Affären verflochtene Unternehmen indes nicht zu befürchten. Dies unterstrich Prof. Farthmann, Fraktionsvorsitzender der SPD im Düsseldorfer Landtag, der gestern zwölf „Empfehlungen“ an SPD-Mandatsträger in RWE- Aufsichtsgremien vorstellte.
So sollen die Genossen die Unternehmensplanung dahingehend beeinflussen, „keine Zustimmung zum Bau neuer Kernkraftwerke“ zu erteilen, „alles Erdenkliche“ gegen die Inbetriebnahme des Brüters zu tun und für direkte Endlagerung anstelle der Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente einzutreten. Ein weiterer Grundsatz aus dem in seiner Substanz alten Katalog fordert, daß „abgeschriebene Kernkraftwerke so schnell wie möglich stillgelegt werden“.
Welche AKWs die Partei unter diesen Bedingungen einmotten möchte, wußte Farthmann nicht zu sagen. Essens Oberbürgermeister und RWE-Aufsichtsratsmitglied Peter Reuschenbach (SPD- MdB) präzisierte: „Diese Forderung soll klarstellen, daß Sozialdemokraten keine Forderungen erheben, die den Unternehmen schaden“.
Nach dem Steuerrecht gilt ein AKW nach zwanzig Jahren als abgeschrieben. NRW-Generalsekretär Dr. Linssen kritisierte den „Schnellschuß aus der Hüfte“ als das „falscheste Signal, das NRW kurz vor der Montankonferenz in Bonn aussenden kann“.
Auf einen interessanten Widerspruch machten die Schwarzen aufmerksam: Bei den Vereinigten Elektrizitätswerken Westfalen (VEW) besäße die SPD die Mehrheit, könnte mithin ihre Vorstellungen rasch durchsetzen, verzichte darauf jedoch. Die VEW ist Betreiber des Hochtemperaturreaktors. Von dieser Technologie sich praktisch zu verabschieden, fällt vielen Sozialdemokraten trotz anderslautender Beschlüsse offensichtlich schwer. NRW- Wirtschaftsminister Jochimsen hat nach Angaben der CDU erst „im Januar Indonesien eine engere Kooperation zur Entwicklung der HTR-Technologie angeboten“. Farthmann bügelte Fragen zur SPD-Strategie gegenüber dem zweiten Atom-Giganten in NRW mit dem Hinweis ab: „Die VEW steht hier nicht zur Debatte, aber wir werden auch dort die Arbeit der sozialdemokratischen Vertreter koordinieren“.
Genauso wortkarg gab sich der Politiker in puncto SPD-Reaktionen auf die Verwicklung des RWE in die Hanauer Atommüll- und Uran-Schiebereien. Vor wenigen Tagen hatte Renate Berger, einzige Grünen-Vertreterin im VKA, in einem Offenen Brief an Farthmann erneut darauf hingewiesen, daß „RWE und NUKEM auch 1986 noch am Handel mit Uran aus Südafrika beteiligt waren“. Somit habe der RWE-Vorstand mit seiner Behauptung, seit 1984 werde kein Uran mehr aus Südafrika bezogen, den VKA-Aktionären „nicht die Wahrheit gesagt“.
Darauf gestern angesprochen, antwortete Farthmann: „Wir sehen uns außerstande, zu entscheiden was wahr ist. Deshalb bleibt es auch bei dem Beschluß, den RWE- Vorstand auf der Hauptversammlung zu entlasten“. Dazu hatten sich Ende Januar die SPD-Vertreter im VKA entschieden – absichtlich vor einer Debatte über den Südafrika-Deal. Dieser Linie entsprechend dürfte sich kommende Woche auch kaum eine SPD-Hand für den Aufsichtsratskandidaten Joschka Fischer heben. Farthmann: „Ich wünsche Herrn Fischer alles Gute, aber wenig Erfolg“. Wenig Erfolg könnte auch die SPD-Spitze mit ihren „Empfehlungen“ an die Genossen Aktionäre haben. Dem Treffen in Düsseldorf blieben sieben von 20 eingeladenen Kommunen fern.
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