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Sandinistische Satire?

■ Sexistisches Foto mit Bildunterschrift zur Veralberung des Internationalen Frauentages empört nicaraguanische Frauen / Innenministerium verbietet Zeitung

Von Eva von Hase–Mihalik

Managua (taz) - Ausgerechnet zum Internationalen Frauentag provozierte das satirische Wochenmagazin Nicaraguas, die Semana Comica, die fünfwöchige Schließung seines Blattes: wegen Verletzung der Würde der Frau. Nicaragua ist das einzige Land der Welt, dessen Mediengesetz es verbietet, in Wort oder Bild die Frau als Sexualobjekt oder als Objekt für kommerzielle Zwecke zu mißbrauchen. Allerdings ist dies das erste Mal, daß die Frauenbewegung mit ihrer Organisation „AMNLAE“ direkt einschritt und mit einer Demonstration Sanktionen gegen die Blattmacher forderte. Stein des Anstoßes war ein Foto, wohl aus einem Pornoblatt herausgeschnippelt, das eine Frau nur mit einem BH bekleidet zeigt, die ihre Schamhaare rasiert. Bildunterschrift: „Frauen bereiten sich vor - Der achte März wird mit Kraft vorbereitet. Auf dem Foto eine Aktivistin, die sich auf dieses Datum vorbereitet.“ Einen Tag nach Erscheinen der Zeitung, am Freitag, liefen in den verschiedenen Hörfunk–Direktsendungen die Telefondrähte heiß. Frauen aus den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen beschwerten sich über die Geschmacklosigkeit des kritischen Satireblattes, dessen Macher allesamt Mitglieder der FSLN sind. Kaum in einem anderen Land sind die Widersprüche in der Frauenfrage - die Kluft von dem nach der Revolution erreichten und dem alten Erbe des Machismo - so groß wie in Nicaragua. Eine große Anzahl von Frauen hat es in Nicaragua geschafft, wichtige Positionen im öffentlichen Leben und in der Politik zu besetzen. Aber auch selten ist die Kluft zwischen öffentlichem Leben und privatem Heim so brutal wie in Nicaragua. Unzählige verlassene und auch mißhandelte Frauen, die allein ihre Kinder hochpäppeln müssen, sprechen Bände. Für viele Männer ist es ganz normal oder sogar ein Grund, stolz zu sein, mit verschiedenen Frauen Kinder zu haben. Eine Situation, so die Frauen von AMNLAE, die einen Zusammenschluß der Frauen im Kampf um Gleichberechtigung und Emanzipation besonders notwendig macht und wo die Herabsetzung der Frau und die Lächerlichmachung des Internationalen Frauentages besonders schmerzt. In einem Pressekommuniqe bekennt die Semana Comica, „daß die Grenzen überschritten“ wurden, und entschuldigt sich bei allen, die sich dadurch verletzt fühlten. Die Kollegen vom prosandinistischen Nuevo Diario setzen dem Vorfall noch eine Krone auf. Sie druckten noch einmal das Foto mit der Bildunterschrift ab, mit dem scheinheiligen Zusatz: „Pornographie? Krankhaft? Mangel an Respekt? Sie haben das Wort.“ Das Innenministerium reagierte prompt: Drei Tage bleibt der Nuevo Diario wegen Verspottung der Frauenwürde geschlossen. Straßenschlacht Managua (rtr/afp) - In Masaaya nahe der Hauptstdt Managua haben sich schon gestern anläßlich des Internationalen Frauentages ca. 5.000 Anhänger der regierenden Sandinisten und einige hundert oppositionelle Demonstranten eine mehrstündige Straßenschlacht geliefert. Nach Wortgefechten kamen wenig später auf beiden Seiten Steine und Schlagstöcke zum Einsatz. Nach Berichten von Augenzeugen gab es mindestens sechs Verletzte. Die Polizei soll kaum eingegriffen haben. Die Auseinandersetzungen fingen an, als der (genehmigte) Demonstrationszug der Opposition auf den der Sandinisten traf. „Uns gehört die Straße, die Rechte hat keine Rechte!“ hatten die Sandinisten gerufen. Die Demonstration war von Oppositionellen organisiert worden, denen die Regierung Sympathien mit der Contra vorwirft. Während der Straßenschlacht ging ein Auto, das der „Sozialchristlichen Partei“ gehört, in Flammen auf.

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