: Atomausschuß in der Hamstertrommel
■ Der hessische Transnuklear/NUKEM–Untersuchungsausschuß trat am Dienstag auf der Stelle Wallmann hat „nichts gewußt“ - weder vom Zeitpunkt der Selbstanzeige noch von den „Unregelmäßigkeiten“
Von Klaus–Peter Klingelschmitt
Wiesbaden (taz) - Der Zeuge Spalthoff (RWE) hatte am Montag „Erinnerungslücken“; der Zeuge Koch (Justizminister / CDU) befand am Dienstag, daß in Wiesbaden heute „alles nach Recht und Gesetz“ zugehe. Und sein Vorgänger im Amte - Herbert Günther (SPD) - konnte sich nun wirklich nicht mehr daran erinnern, wann genau er von der Transnuklear–Selbstanzeige erfahren hatte. Nur eines wußte Günther in der Rückschau auf seine Amtsführung genau: „Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurden auf keinen Fall behindert.“ Auch Ministerpräsident Walter Wallmann, der ab 16 Uhr „vernommen“ wurde, hatte „selbstverständlich nichts gewußt“ von der Schmiergeldaffäre um die Transnuklear - und schon gar nicht vor der Hessenwahl am 5. April 87. Daß die Selbstanzeige der Transnuklear von der Degussa - mit Wissen der RWE - bis über den Hessenwahltermin hinaus verschleppt worden war, ist Wallmann gleichfalls „nie“ bekannt geworden. Und an solchen Gesprächen war der Ministerpräsident „selbstverständlich auch nie beteiligt“. Dem Bundesumweltministerium, dem Wallmann Anfang 87 noch vorstand, war allerdings schon im Januar 87 ein Schreiben der NUKEM zugegangen, in dem diese auf „Unregelmäßigkeiten“ ihrer „Tochter“ Transnuklear aufmerksam gemacht hatte. Doch Wallmann bekam dieses Schreiben angeblich nicht vorgelgt. Wallmann: „Deshalb konnte ich mich darum auch nicht kümmern.“ Und deshalb habe er auch keine Überlegungen in Richtung Anzeigenverschleppung anstellen können. Was auch immer dem Ministerpräsidenten vorgehalten wurde: Wallmann gab stereotyp die gleichen Antworten, ohne auch nur einmal von seinem Aussagekonzept abzuweichen. Über das Verhalten der Degussa, deren Geschäftsführer Becker dem Ausschuß in der vergangenen Woche eine hausinterne Aktennotiz zur Anzeigenverschleppung vorgelegt hatte, war Wallmann nur „leicht verärgert“. Becker sei ja extra aus Amerika zurück nach Hessen gekommen, um Aufklärungsarbeit zu leisten und somit bleibe die Degussa eine „honorige hessische Firma“.
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