: Kein Ende der Gewalt–Spirale
■ Zwei britische Soldaten wurden bei dem Begräbnis eines IRA–Mitglieds zusammengeschlagen und erschossen, nachdem ihr Wagen mit hoher Geschwindigkeit auf den Trauerzug zugefahren war
Aus Dublin Ralf Sotscheck
Bei einer weiteren Beerdigung eines Mitglieds der „Irisch–Republikanischen Armee (IRA)“ sind am Samstag in Belfast zwei briti sche Soldaten erschossen worden. Die IRA hat die Verantwortung für die Tat übernommen. Sie erklärte, sie habe die beiden Soldaten „hingerichtet“. Der IRA–Mann Kevin Brady (30) sollte am Samstag auf dem Belfaster Milltown–Friedhof nur wenige Meter von der Stelle begraben werden, an der er drei Tage vorher ermordet worden war. Er hatte am Mittwoch an der Trauerfeier für die drei IRA–Mitglieder teilgenommen, die vor zwei Wochen von der britischen Elitetruppe SAS in Gibraltar erschossen worden waren. Während des Begräbnisses hatte ein protestantischer Extremist die Trauergäste mit Handgranaten und zwei Pistolen angegriffen. Bei diesem Mordanschlag starben drei Menschen und 70 wurden verletzt. Eine Verwicklung der nordirischen Polizei (RUC) in das Attentat ist nicht auszuschließen. Der Sarg mit Kevin Brady hatte die Kirche nach der Totenmesse am Samstag gerade verlassen und der Leichenwagen war auf dem Weg zum Milltown– Friedhof im katholischen West– Belfast, als ein weißer VW–Passat mit zwei in Zivil gekleideten Männern auf ihn zuraste. Erst im letzten Augenblick bremste er ab und fuhr dann mit hoher Geschwindigkeit rückwärts. Mehrere Taxis aus dem Trauerzug blockierten seinen Weg. In Sekundenschnelle war der Wagen von aufgebrachten Trauergästen umringt, die einen erneuten Mordanschlag befürchteten. Der Fahrer des Passat lehnte sich aus dem geöffneten Seitenfenster und zog eine Pistole. Inzwischen war ein Mann auf das Dach des Autos geklettert und zerschlug mit einem Schraubenschlüssel die Windschutzscheibe. Nachdem der Fahrer einen Schuß abgefeuert hatte, wurden die beiden Männer aus dem Auto gezerrt und verprügelt. Dann wurden sie auf ein nahegelegenes Trümmergrundstück geschleppt und durch mehrere Schüsse getötet. Der VW–Passat ging in Flammen auf. Noch am selben Abend wurden drei Männer verhaftet, die mit Hilfe von Fernsehaufzeichnungen identifiziert worden waren. Die britische Armee gab später bekannt, daß es sich bei den beiden Ermordeten um Soldaten des „Ro yal Corps Signals“ gehandelt habe. Die beiden Soldaten hätten sich zu Routinearbeiten in West– Belfast aufgehalten und seien auf dem Rückweg in ihre Kaserne in einem Belfaster Vorort gewesen. Sie seien über die Beerdigung informiert gewesen und instruiert worden, sich davon fernzuhalten. Die Morde sind von sämtlichen Parteien in Großbritannien und Irland verurteilt worden. Der irische Premierminister Haughey betonte jedoch, daß der Kreislauf der Gewalt von der britischen Regierung ausgelöst worden sei, als sie im Januar entschied, daß die RUC für die Morde an sechs unbewaffneten Menschen im Jahre 1982 nicht belangt werde. Pfarrer Ian Paisley, Führer der protestantischen Extremisten, forderte gestern den Rücktritt des britischen Nordirland–Ministers King und des RUC–Chefs Hermon hatten sie der Dubliner Regierung nachgegeben und die Sicherheitskräfte während der Beerdigungen in der letzten Woche aus West–Belfast abgezogen. Gerra Adams, der Präsident der Sinn Fein, bedauerte den Tod der beiden Soldaten, stellte aber auch die Frage, warum sich die Soldaten so provokativ verhalten haben. Letztlich liege die Verantwortung „bei der Mörder–Regierung von Margret Thatcher“. Die Lage in Nordirland eskaliert immer mehr. Neben den Friedhofs–Morden sind seit Dienstag vier Menschen nur wegen ihrer Religionszugehörigkeit erschossen worden. Am Samstag abend ist eine junge Frau ermordet und ihr Verlobter lebensgefährlich verletzt worden. Beide waren politisch nicht aktiv.
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