Modernisierung = Neustationierung

■ Den SPD–Vorsitzenden Vogel ereilte in den USA die Erkenntnis, daß in der BRD neue Waffensysteme stationiert werden sollen / Entscheidung wird im nächsten Jahr erwartet / Bundesregierung soll handeln

Berlin (afp/taz) - Im Gegensatz zu Bundeskanzler Kohl sieht der SPD–Vorsitzende Vogel „Handlungsbedarf“ in der Frage der Modernisierung des in der Bundesrepublik stationierten, atomaren Kurzstreckenwaffenpotentials. Die US–Regierung, so erklärte Vogel nach seiner Rückkehr von einer fünftägigen USA–Reise am Freitag in West–Berlin, wolle die Modernisierung der vom INF– Abkommen ausgeklammerten Atomwaffen forcieren, obwohl eine Entscheidung darüber auf dem NATO–Gipfel in Brüssel Anfang März verschoben worden war. Damals hatten sich die Regierungschefs darauf geeinigt, nicht zu modernisieren, sondern die Waffen auf dem neuesten Stand zu halten. Vogel bestätigte, daß die US–Regierung nicht eine Umrüstung der atomaren Kurzstreckenraketen vom Typ „Lance“ plane, sondern die veralteten Waffen durch neue Systeme ersetzen will. Die Reichweite der neuen Raketen soll maximal 450 Kilometer betragen, drei Mal so viel wie die Lance–Raketen. Im nächsten Jahr rechnet der Oppositionsführer mit Entscheidungen, die jetzt vorbereitet würden. Deshalb müsse von der Bundesregierung jetzt eine klare Haltung zu der Modernisierungsfrage gefordert werden. Wie die taz berichtete, plant das Pentagon, die Lance–Raketen durch eine Art nukleare Stalinor gel, dem „Army Tactical Missile System“ (ATACMS), zu ersetzen, dessen Produktion im vergangenen Jahr aufgenommen wurde. Bisher hat der Kongreß die Gelder für die Produktion nuklearer Sprengköpfe für diese Raketen nicht bewilligt. Die ATACMS wäre die erste NATO–Rakete, die sowohl mit atomarer als auch konventioneller und chemischer Munition bestückt werden könnte. Vorgesehen sind mehrere hundert Abschußrampen mit fast tausend Raketen. Neben den Raketen werden auch die Atomgranaten durch weitreichendere, treffgenauere Systeme ersetzt. Zusammen mit den seit 1986 modernisierten 203–Millimeter Granaten sollen 925 dieser atomaren Artilleriesysteme in der BRD stationiert werden. Vogel erklärte weiter, in Washington sei sein Eindruck bestätigt worden, daß die Zurückhaltung der US–Regierung nur ein Zugeständnis an Kohl sei, um die Koalition in den Wahlkämpfen zu unterstützen. Positiv äußerte sich Vogel zu den Abrüstungsgesprächen: er erwarte noch in diesem Jahr ein Abkommen zur Halbierung der atomaren Langstreckenraketen (START). Allerdings sei er sich nicht sicher, ob dieser „wirklich tief einschneidende Abrüstungsakt“ schon auf dem Moskauer Gipfel Ende Mai zustande kommt. mf