: „Rheinhausen zu, dann ist der Krach weg!“
■ Wie Krupp mit der NRW–Regierung kungelte, um Rheinhausen schnell zu schließen / Von Walter Jakobs
Uns sind die Protokolle von zwei Telefonaten des Krupp–Chefs Cromme zugespielt worden. Nachdem der Kernsatz - allerdings ungenau - im Bundestag zitiert wurde,meinen wir, daß an der Klärung dieser Zitate starkes öffentliches Interesse besteht - vor allem für die Krupp–Arbeiter. Die Redaktion.
Das fragliche Telefongespräch spielte schon im Bundestag Anfang März eine - wenn auch kaum beachtete - Rolle. Eckhard Stratmann, Abgeordneter der Grünen, deutete an, dem Krupp–Vorstand sei von der Landesregierung nahegelegt worden, Rheinhausen „schnell zu schließen“. Doch in Bonn gab es darauf keinerlei Reaktion. Nur in Duisburg, auf dem Unterbezirksparteitag der SPD, wurde der SPD–Fraktionschef Farthmann damit konfrontiert. Farthmann sagte daraufhin zu den aufgebrachten Genossen, er würde der Landesregierung empfehlen, gegen Stratmann zu klagen. Die Darstellung sei, so zitierte ihn eine Lokalzeitung, „eine miese Verleumdung“. Wie die beiden Stahlbosse Cromme und Kriwet politische Willfährigkeit honorieren, zeigt ihr Umgang mit SPD–Wirtschaftsminister Jochimsen. Weil der gegenüber der Rheinischen Post am 8.1. die Kooperationspläne zwischen Krupp, Mannesmann und Thyssen nach Angaben der Zeitung „als in der Sache vernünftig“ dargestellt hatte, vereinbarte man, „ihn zu schonen“. Eine Behandlung, die so ganz im Gegensatz zu dem Umgang mit den streikenden Stahlkochern stand. „Die Leute“, so Cromme in dem ebenfalls von der taz dokumentierten Gespräch mit dem Arbeitsdirektor Karl Meyerwisch, „müssen spüren, daß es jetzt was kostet“. Gerade in diesem Gespräch wird deutlich, mit welcher Strategie der Krupp–Vorstand der kämpfenden Belegschaft in Rheinhausen den Garaus besorgen wollte. Einerseits kündigt Cromme schon am 8. Januar mehr Druck an. Briefliche Warnungen erreichten dann auch später alle Beschäftigten, der Vorstand drohte mit „arbeitsrechtlichen Konsequenzen“ und „Schadensersatzansprüchen“. Anderseits fordert er intensive Gespräche mit allen Beteiligten. (Cromme: „Nach jedem Gespräch bleibt was hängen“.) Und so geschah es. Cromme selbst drängte sich verschiedenen Zeitungsredaktionen auf, lud handverlesene Wirtschaftsjournalisten zu Hintergrundgesprächen und brachte sogar ein Gespräch mit dem im Rheinhausener Bürgerkomitee aktiven Pfarrer Dieter Kelb zustande - ohne daß der sich jedoch beeindrucken ließ. Die Wirtschaftsjournalisten verfaßten mit dem von Cromme gelieferten Zah lenwerk (oft ohne die höchst tendenziöse Quelle anzugeben) wahre Jubelarien über das Vorstandskonzept. Hatten bis dahin Rührstories über den Rheinhausener AufRuhr die Presse dominiert, so wurden sie jetzt durch vorerst noch leise Drohungen in den Kommentarspalten abgelöst, jetzt sei es aber bald genug. Insgesamt eine höchst erfolgreiche PR– Arbeit der Stahlbosse. Und der von der IG–Metall für seinen Vorstandsposten vorgeschlagene Arbeitsdirektor Karl Meyerwisch agierte im Verein mit Cromme ganz in der Tradition bisheriger Sozialplanpolitik in der Montanindustrie. Nur den Betriebsrat, der eben nicht die Kurve der Vorstandstrategie zur Werksschließung kriegen wollte, unterschätzte der hoch dotierte Edel– IG–Metaller. Der legte nämlich ein eigenes Überlebens–Konzept vor, mit dem nach den Berechnungen von Hüttenfachleuten 2.000 Arbeitsplätze mehr erhalten werden könnten. Daß es dem Krupp–Vorstand bei seinen Gesprächen nie um die ernsthafte Suche nach Alternativen zur Schließung ging, erhellt die Cromme–Äußerung zu dem Duisburger OB Josef Krings. „Den Krings müssen wir auch noch bearbeiten, der ist auch noch nicht ganz über den Berg“. Zumindest der neutrale Mann im Aufsichtsrat soll nach den Informationen der taz soweit sein. Stimmt er mit den Kapitalvertretern, hat Cromme seine Mehrheit. Seine Devise lautet, über möglichst viel Sitzungen eine „Dynamik“ zu entwickeln, „der sich hinterher keiner mehr entziehen kann“. So soll sich das Gremium jetzt am 12.4. und 2.5. treffen. Am 2. Mai soll dann auch die Entscheidung fallen. Bis Juli 1989, so der Cromme–Zeitplan, wäre die umkämpfte Hütte dann platt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen