: Traut sich Rau vor Tor eins?
■ NRW–Regierung antwortet mit wachsweichem Dementi auf die Behauptung von Krupp–Chef Cromme, Rau habe grünes Licht für die Schließung von Rheinhausen gegeben / Arbeiter wollen Rau in der Hütte sehen
Von Walter Jakobs
Rheinhausen (taz) - Der Kampf um die Stahlöfen von Krupp in Rheinhausen ist nach der Veröffentlichung der taz vom Samstag um einige Grade heißer geworden. Nach hektischen Aktivitäten der Landesregierung traf der Rheinhausener Krupp–Betriebsratsvorsitzende Manfred Bruckschen am Sonntagmorgen mit Ministerpräsident Johannes Rau zusammen. Dabei versicherte Rau nach Auskunft von Bruckschen, daß die Landesregierung zu keinem Zeitpunkt gegenüber dem Krupp Stahl–Chef Gerhard Cromme die Zustimmung zur Schließung von Rheinhausen gegeben habe. Die von der taz dokumentierte Behauptung Crommes, die Landesregierung sei schon am 7.Janauar der Meinung gewesen, Rheinhausen müsse „möglichst schnell“ geschlossen werden, damit der „Krach“ aufhöre, sei falsch. Wie schon nach der Montankonferenz bot Rau sich erneut als Moderator im Streit um Rheinhausen an. Gleichzeitig kündigte Rau - allerdings ohne Nennung eines Termins - an, er wolle nach Rheinhausen kommen. Der Be triebsrat hatte die Landesregierung noch am Samstag aufgefordert, „unverzüglich“ auf die in der taz erhobenen Vorwürfe einzugehen - und zwar „hier in Rheinhausen“. Zwar äußerte sich Bruckschen nach dem Gespräch mit Rau „zufrieden“, aber die Belegschaft und die entscheidenden Kräfte im Betriebsrat und dem gewerkschaftlichen Vertrauenskörper verlangen mehr - und das sofort. Nach dem Rau–Bruckschen–Gespräch liefen die Vorbereitungen für in der Nacht zum Montag in Düsseldorf geplante Aktionen weiter auf Hochtouren. Offiziell lag am Sonntagnachmittag von der Düsseldorfer Landesregierung immer noch nichts weiter vor - außer einer wachsweichen Erklärung vom Vortage. Darin heißt es, die Landesregierung hätte „weder zum Entscheidungsverfahren noch zum Inhalt der Entscheidung“ über die Schließung von Rheinhausen „ihre Zustimmung gegeben“. SPD–Regierungsschef Rau wurde in der Hütte am Wochenende geraten, schleunigst nach Rheinhausen zu kommen. Das sei die einzige Möglichkeit, „sich reinzuwaschen vom Vorwurf der Korruption“, so eine Forderung bei einem Treffen der Belegschaft. Selbst Betriebsratschef Bruckschen geriet in die Defensive: Wenn Rau sich nicht den Vorwürfen stelle, dann könne das „in Rheinhausen nur als Kneifen ausgelegt werden“, sagte er Mitarbeitern des Düsseldorfer Regierungschefs am Telefon. Die Aufforderung an Cromme, seine Behauptung zurückzunehmen, kam nicht von der Landesregierung. Eine solche Forderung, so hieß es aus Regierungskreisen, könne die Regierung auch nicht stellen, denn offiziell habe Cromme ja nichts erklärt. Fortsetzung Seite 2 Siehe auch Seite 5 Man könne doch nicht auf ein abgehörtes Telefongespäch in dieser Weise reagieren. Zumindestens der SPD–Fraktionschef Farthmann konnte. Er forderte Cromme öffentlich auf, der solle den ganzen Vorgang öffentlich richtig stellen. Krupp–Stahl–Chef Cromme, der sich Journalisten sonst geradezu aufdrängt, schwieg am Wochenende. Bei der Krupp–Stahl AG hieß es lediglich, es sei „nicht Stil des Hauses“, zu Angelegenheiten Stellung zu nehmen, die auf rechtswidrigem Tun basierten - gemeint war das Abhören des Telefons Crommes. Allerdings bestreitet niemand, daß es ein Gespräch zwischen Cromme und Rau und dessen Ministern gab. Und auch eine Telefonat zwischen Cromme und dem Thyssen–Manager Kriwet zum genannten Zeitpunkt hat niemand bestritten. Unterdessen wird seit Freitag in Rheinhausen gestreikt, minde stens bis zum kommenden Dienstag. In einem eindringlichen Appell haben die Rheinhausener alle anderen Stahlbelegschaften aufgefordert, ihren Kampf zu unterstützen. „Die Rheinhausener Belegschaft kämpft auch für Euch!!! Helft uns jetzt!“ heißt es in dem Aufruf, der noch am Sonntag in der ganzen Republik verteilt wurde. Der Krupp–Stahl–Vorstand will an diesem Dienstag den Aufsichtsrat über seine Pläne informieren, um dann in einer weiteren AR–Sitzung am 2. Mai endgültig den Stillegungsbeschluß gegen die Arbeitnehmervertreter zu erzwingen. Dieser Fahrplan erscheint nach diesem Wochenende fraglich. Sollte Cromme seine Behauptung tatsächlich zurücknehmen müssen, dann, so glauben viele in Rheinhausen, dürfte der derzeitige Vorstandsvorsitzende im Krupp–Management nicht mehr zu halten sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen