: Ein kurzer Besuch in der Downing Street
■ In Großbritannien protestieren Rentner, Sozialhilfeempfänger und Angestellte der Ämter gegen Kürzungen der Sozialleistungen
Aus London Rolf Paasch
„Wir möchten Maggie Thatcher sprechen“, wagt sich die weißhaarige, ältere Dame aus der kleinen Gruppe protestierender RentnerInnen vor. „Die Premierministerin?“, fragt der ob der Kühnheit ihres Ansinnens ungläubige Portier vor der Hausnummer 10, „die ist beschäftigt.“ Ja, ja, always busy. Enttäuscht zieht die kleine Gruppe mit ihren Protestplakaten wieder aus der Downing Street ab, so, wie viele von ihnen demnächst auch die Sozialämter verlassen werden: mit leeren Händen. Auch vor zahlreichen Sozialämtern zwischen Liverpool und London kam es am Tag nach der Einführung des neuen Sozialhilfegesetzes zu Protestaktionen. Während viele der Sozialhilfeempfänger sich über die neuen Veränderungen eher verwirrt als empört zeigten, kamen die lautstärksten Proteste von denen, die bereits wissen, was im einzelnen auf sie zukommt: den Angestellten in den Sozialämtern. „Wir sind um die Sicherheit unserer Mitglieder hinter den Schaltern der Ämter besorgt“, erklärte der Sekretär der Angestelltengewerkschaft, Dave Saffrey. „Aber wir protestieren auch, weil die neuen Kürzungen für viele der Armen zusätzliche Härten bringen werden.“ Die Gewerkschaften wiesen ebenfalls darauf hin, daß die nach Installierung neuer Computersysteme geplante Wegrationalisierung von 8.000 Stellen in den schon heute völlig überlasteten Sozialämtern zu schweren Spannungen zwischen den Angestellten und frustrierten Mitgliedern von Großbritanniens neuer Unterklasse führen werden. Das neue Gesetz war am Dienstag auch Gegenstand heftiger Wortgefechte zwischen Regierung und Opposition im Parlament. Selbst Hinterbänkler der Tories gaben sich angesichts der Änderungen bei den Sozialleistungen regierungkritisch. Sie befürchten, daß vor allem unter den betroffenen RentnerInnen mit einem Notgroschen auf der hohen Kante allzu viele konservative Wähler sein könnten. (Siehe taz von gestern, S. 9)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen