: Gegen Metropolenwirklichkeit
■ Autonomes Strategiepapier „Überlegungen zur IWF–Kampagne“: Klärung der Fronten, Zurückschrauben reformistischer Kräfte, Stärkung der Gegenmacht, revolutionäre Überwindung des Klassenfeindes
Die Autonomen reklamieren für sich eine Art Beobachterstatus im Rahmen der Vorbereitungsgruppe für den Gegenkongreß und die Demonstration gegen die Jahrestagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds. Wir dokumentieren auszugsweise ein Papier mit dem Titel „Überlegungen zu IWF–Kampagne - Die antikapitalistische,antipatriarchale und antiimperialistische Debatte führen!“ Hier wird unter anderem beschrieben, was Autonome von der „heißen“ Woche im Herbst und den Vorbereitungen darauf erwarten. Zu einem eigenen Beitrag für die taz, der ungekürzt hätte erscheinen können, war die „Szene“ nicht bereit. (Die Red.) (...) Wir halten die IWF–Kampagne dann für richtig, wenn sie politisch so bestimmt ist, daß sie einen Rahmen bieten kann, in dem folgende Entwicklungen und Prozesse, die wir aus der momentanen Situation der kapitalistischen Metropolenwirklichkeit heraus und unseres Kampfes dagegen für notwendig, richtig und möglich halten, anlaufen können: 1. Die Kampagne als taktische Antwort auf die sich verschärfende Situation bestimmen: Einen neuen Begriff von „offensivem Umgehen“ mit der Repression entwickeln, d.h. sich der Thematik „Repression“ weder zu entziehen, noch durch undifferenziertes Rangehen Panik zu schüren, sondern als Bedingung zu analysieren. Die im Rahmen dieser Kampagne entstehende politische und gesellschaftliche „Atmosphäre“ erweitert für uns, die radikale Linke insgesamt, den Spielraum für Agitation, Propaganda und Aktionen. Ein Beispiel: In den Städten können die existierenden Infoläden durch die dezentralen Aktivitäten ein ganz neues Gewicht weit über unser Spektrum hinaus kriegen. Also eine breitere Verankerung und u.a. dadurch eine Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten und einen größeren Schutz vor Kriminalisierung. 2. Strategisch: Eine revolutionäre Veränderung in den Metropolen ist nicht denkbar ohne das organisierte Zuammenwirken von politischer, militanter Aktion/Kampf und der Kämpfe in den Teilbereichen. (D.h. die Kämpfe in den Teilbereichen müssen sich aufeinander beziehen, die Teilbereiche, in denen wir kämpfen bzw. Kämpfe laufen, auf die Systemfrage zuspitzen ... Unsre Vorstellungen zu Ablauf und Struktur: 1. Wir finden es richtig, wenn gesagt wird: „Die Mobilisierung hin zur Verhinderung des Kongresses 88 verstehen wir als eine Möglichkeit, bei der Neudefinition einer politischen Strategie wieder enger zusammenzuwachsen. Mit einigen Gruppen der radikalen Linken wirds praktische, aber keine politisch–theoretischen, wiederum mit anderen wirds theoretische, aber keine praktischen Gemeinsamkeiten geben. Dann aber hat die breite Diskussion aller Linksradikalen über IWF etc. dazu geführt, Differenzen oder gar Fronten unter uns klarer zu machen. Auch das dient einer größeren politischen Handlungsfähigkeit.“ Aber: Es muß auch um die Neudefinition und praktische Konstituierung des Begriffes „WIR“ (“Wir Autonome“ etwa ...) und einer Vorstellung von revolutionärer Politik gehen. (...) Also: Organisierung einer grund sätzlichen Debatte über Kapitalismus/Imperialismus/Patriarchat als Voraussetzung zur Entwicklung einer Strategie für die revolutionäre Veränderung in der Metropole. 2. Wir halten eine bundesweite Demonstration in Berlin 88 als politische Zusammenfassung und zentralen Ausdruck einer dezentralen/regionalen Kampagne für richtig. Die Demo sollte vor allem politisch militant bestimmt sein - das heißt für uns z.B., daß Auftakt–, Zwischenkundgebung und Anbschlußkundgebung inhaltlich das beste sein sollten, was so geballt lange nicht in dieser Republik zu hören war. 3. Wir können uns diese Demo wie die ganze Kampagne nur mit der Beteiligung möglichst vieler in der BRD existierenden politischen und sozialen Bewegungen vorstellen. Wir sind ebenfalls der Meinung, „daß eine revolutionäre inhaltliche Position uns von reformistischen Kräften zunächst bewußt isoliert“; daß „Kampagne“ aber deswegen heißen muß, aus dieser Isolierung rauszukommen, zu informieren, zu aktivieren. (...) Eine Foglerung, die auf der Suche danach, der Isolierung zu entkommen, getroffen wird, nämlich „Wir sollten uns von vornherein klarmachen, daß wir alle Aktionsformen gegen den IWF für richtig halten - von der Menschenkette bis Reden der kritischen Aktionäre“, erscheint uns weder unbedingt zwingend noch logisch richtig zu sein. Vielmehr halten wir sie für falsch und politisch, wie sich oft erwiesen hat, fatal. Denn diese Position unterschätzt die Eigendynamik und Bedeutung reformistischer Aktionen und ihre inhaltlichen Bestimmungen. Wir können uns nicht darauf beschränken, die Tolerierung unserer Aktionsformen zu fordern, an die sich reformistische Funktionäre im Zweifelsfalle noch nie gehalten haben, und ansonsten auf das produktive Nebeneinander vielfältiger Aktionsformen und Inhalte hoffen. (...) So können bestimmte Aktionsformen - zumindest Bullen/Justizapparat ausgespielt werden (z.B. an der Gewaltfrage). So halten wir z.B. die massive Beteiligung liksradikaler Kräfte an der konkreten Diskussion und Auseinandersetzung um Inhalte und Aktionsformen im Kampf gegen die WAA von Anfang an für die rasante inhaltliche und aktionsmäßige Zuspitzung dieses gesellschaftlichen Widerspruchs verantwortlich (schwere Fehler/die Situation vor Ort sind uns dabei sehr wohl bewußt): Ohne unsere Einflußmöglichkeiten im „Bündnis“ wäre es uns nie gelungen, am 16.12.85 eine Menschenkette neben der Bauplatzbesetzung zu verhindern und diese als zentrale Aktion zu bestimmen. (...) Wir sind nicht grundsätzlich gegen Bündnisse, sondern glauben, daß es in jeder speziellen Situatiobn darauf ankommt, Bedingungen und Einflußmöglichekeiten zu untersuchen. Auf der anderen Seite sind wir dafür, Aktionsformen, die Entwicklungsmöglichkeiten eines politischen Prozessses massiv behindern/verunmöglichen, aufs schärfste zu unterbinden. Kein Nebeneinander, wo Spaltung und damit „Verhinderung“ angesagt wären. Es ist also eine andere Frage, wann und wie (politische Nutzen für uns) Bündnisse aufzukündigen/eine Spaltung in der Bewegung notwendig und politisch richtig wird! (...) Für Autonomie, Für den Kommunismus
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen