piwik no script img

De Benedettis Großeinkauf in Belgien scheiterte

■ Der Olivetti–Chef wurde nicht in die Führung der größten belgischen Finanzholding gewählt / Aktionärsversammlung der Societe General

Aus Brüssel Michael Stabenow

Die Zukunft der größten belgischen Holdinggesellschaft Societe General de Belgique (SGB) bleibt auch nach der außerordentlichen Hauptversammlung ihrer Aktionäre am Donnerstag ungewiß. Der italienische Industrielle Carlo De Benedetti und seine Pariser Finanzholding Cerus scheiterten allerdings vorerst mit ihrem Versuch, durch massive Aktienkäufe die Mehrheit in der SGB zu erlangen. Der im Januar eingeläutete Börsenrush hatte den Kurs der SGB–Aktie zwar binnen weniger Wochen von umgerechnet 170 auf 400 Mark hochgetrieben. Am Donnerstag schien der Traum des Olivetti–Chefs De Benedetti geplatzt, von Brüssel aus ein schlagkräftiges internationales Firmenimperium aufzuziehen. Das Sagen in der Brüsseler Firmenzentrale haben künftig die dem bisherigen Vorstand unter seinem Vorsitzenden Rene Lamy eng verbundene französische Finanzierungsgesellschaft Suez und eine Reihe belgischer, luxemburgischer und schweizerischer Ge sellschaften. Die Hauptversammlung in einem zum Kongreßsaal umfunktionierten Zelt im Hinterhof des SGB–Sitzes bestätigte am Donnerstag die Niederlage De Benedettis, der die Aktienmehrheit aber offenbar nur um ein bis zwei Prozentpunkte verfehlt hat. In Belgien wird die 1822 gegründete SGB oft als „alte Dame“ bezeichnet. Kritiker vergleichen sie dagegen gerne mit einer Riesenkrake, deren Arme in die vielfältigsten Wirtschaftsbranchen hineingreifen. Ob Banken, Mineralölkonzerne, Atomkraftwerke, Diamantschleifereien - stets hat die altehrwürdige SGB ihre Hände im Spiel. Weltweit kontrolliert sie rund 1.300 Unternehmen mit 250.000 Arbeitsplätzen und nicht zuletzt auch gut ein Drittel der belgischen Wirtschaft. Für De Benedetti schien die SGB mit ihrer etwas behäbigen Geschäftsführung ein idealer Brückenkopf für seine europaweiten Ambitionen. Der „Condottiere“ nahm am Donnerstag in Brüssel kein Blatt vor den Mund. Mit Blick auf den sich 1992 abzeichnenden schrankenlosen EG– Binnenmarkt müsse die SGB „wieder in das kapitalistische Spiel eingeführt“ werden. Es gebe kein Unternehmen, so De Benedetti forsch, für das es keine Wachstumsperspektiven gebe. Die Mehrheitsaktionäre zeigten sich allerdings wenig beeindruckt von den Vorstellungen ihres italienischen Kontrahenten. Noch am Morgen hatte sich De Benedetti in Gesprächen mit den Mehrheitsaktionären nur unter der Bedingung zur Zusammenarbeit erklärt, daß ihm eine gleichberechtigte Funktion an der Spitze des Unternehmens eingeräumt würde. Gleichzeitig kündigte De Benedetti gerichtliche Schritte an, weil das Unternehmen seiner Auffassung, Mitte Januar unrechtmäßig eine Aufstockung des SGB–Kapitals beschlossen hatte. Ungeachtet des ungelösten Streites zwischen den Mehrheitsaktionären und De Benedetti, die nach allgemeiner Einschätzung in den letzten Monaten über zwei Milliarden Mark in den Kampf um die SGB–Vormachtstellung gesteckt hatten, steht die Brüsseler Holding vor schweren Zeiten. Vorstandschef Lamy ließ keinen Zweifel daran, daß in den zahlreichen SGB–Filialen Einschnitte unausweichlich seien. Auf den von der SGB kontrollierten Banken, Versicherungen und Kraftwerken ruhen die Hoffnungen in der Brüsseler Konzernzentrale. Dagegen waren am Vortag in der südbelgischen Stadt Charleroi rund 1.000 Arbeiter des Elektrokonzerns ACEC auf die Straßen gegangen, die sich als die nächsten Opfer der Brüsseler Börsenspiele sehen. Die belgische Hauptstadt hatte sich auf weitere Proteste von Arbeitnehmern aus dem SGB–Dunstkreis eingestellt. Die nahegelegene U– Bahn–Station blieb tagsüber geschlossen, und wenige Schritte entfernt hielten sich Polizisten in ihren blauen Kampfanzügen für den Ernstfall bereit, der dann nicht eintrat - gestritten wurde lediglich in der SGB–Zentrale. Und alle gingen davon aus, daß dieser Streit bis in die Nacht zum Freitag dauern würde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen