Südafrikas Krieg gegen die schwarzen Kinder

■ 40 Prozent der Inhaftierten sind Kinder und Jugendliche

Berlin (taz) - Sie hatten ihn in einen Gummianzug gesteckt, ihm etwas über den Kopf gestülpt, ihn geknebelt, damit er nicht schreien konnte, dann hatten sie ihn mit Elektroschocks gefoltert. Anschließend wurde er nackt in einen Kühlschrank gesperrt und danach weitergefoltert, bis er aus beiden Ohren blutete. Kinder, Eltern und Ärzte berichteten am Samstag während einer Veranstaltung gegen die Verhaftung und Folter schwarzer Kinder in Südafrika auf dem Gelände der Johannesburger Witwatersrand–Universität von dem unerklärten Krieg des Rassisten–Regimes gegen die Kinder der schwarzen Bevölkerungsmehrheit. An der anschließenden Kundgebung, die unter dem Motto „Befreit die Kinder“ stand, nahmen mehr als 500 Leute teil, obwohl seit Februar Anti–Apartheid–Proteste verboten sind. 40 Prozent der unter dem Ausnahmerecht Inhaftierten sollen zwischen neum und achtzehn Jahre alt sein, berichteten Experten. Der weiße Methodisten–Pfarrer Paul Verryn warnte: „Die Verhaftung von Kindern bedeutet einen fundamentalen Zerfall der Zivilisation.“ Drei Ärzte, deren Namen nicht genannt wurden, berichteten auf der Veranstaltung, sie hätten bei Kindern im Alter von zwölf bis 17 Jahren Spuren von Schußwunden, tätlichen Angriffen, Auspeitschungen und Elektroschocks gefunden, die sie offenbar in der Haft erlitten hätten. Ein anderer Mediziner sagte, er habe als Angehöriger einer Freiwilligengruppe Einwohner von Schwarzensiedlungen nach Zusammenstößen mit der Polizei behandelt. Kinder von acht Jahren aufwärts hätten Wunden von Schüssen und Peitschenhieben gehabt. Nach Schätzung des Anthropologen David Webster von der Witwatersrand–Universität sind seit Beginn des Ausnahmezustands 1986 etwa 30.000 Menschen in Polizeihaft genommen worden. Die gegenwärtige Zahl der Internierten schätzte er auf 2.000 bis 3.000 - fast alle Schwarze. Jeweils etwa 40 Prozent seien 18 Jahre oder jünger gewesen. Nur etwas mehr als einem Prozent dieser Menschen sei der Prozeß gemacht worden. Das belege nach seiner Einschätzung, daß die Behörden die vorübergehende Festnahme willkürlich als Einschüchterungsmaßnahme benutzten. „Die Sicherheitspolizei versucht, die Unterdrückung zu verbergen, an der sie beteiligt ist“, sagte Webster, der in dem mit Betätigungsverbot belegten Komitee für die Unterstützung der Eltern Verhafteter mitarbeitet. Die von der Polizei veröffentlichten Statistiken untertrieben schon deshalb, weil in ihnen viele kurzzeitige Festnahmen gar nicht auftauchten. Die Notstandsbestimmungen erlauben praktisch beliebig lange Haft ohne richterliche Anordnung oder die Möglichkeit zur Haftprüfung. Webster zufolge geht die Zahl der Internierungen in jüngster Zeit zurück, liegt aber immer noch bei durchschnittlich 16 pro Tag. mf