: Halbe Fahrt für Rheinhausen
■ Gestern einigten sich Betriebsrat und Unternehmensleitung über die Zukunft des Stahlwerks
Nach monatelangem Kampf der Arbeiter des Krupp–Hüttenwerkes in Duisburg–Rheinhausen ist die Vereinbarung zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat unter Vermittlertätigkeit von Joahnnes Rau paraphiert worden. Der Rheinhausener Arbeitskampf, der in der Vergangenheit die Republik in Atem hielt, ist zu Ende. Resignation und Frust sind nicht nur beim Betriebsrat die vorherrschenden Gefühle über den ausgehandelten Kompromiß.
Der entscheidene Tag begann in Rheinhausen am Dienstag früh um 6 Uhr. Für diese Zeit hatte der geschäftsführende Ausschuß des Betriebsrates den gesamten Betriebsrat, die Vertrauenskörperleitung und die Jugendvertretung eingeladen. Bei den meisten herrschte eine gedrückte Stimmung. Alle wußten inzwischen, daß das eigentliche Ziel, die Standortsicherung durchzusetzen, nicht erreicht werden konnte. Mit 27 gegen 5 Stimmen bei 2 Enthaltungen wurde das Verhandlungsergebnis vom Vortag gleichwohl „zur Kenntnis genommen“. Das Ergebnis, so die Einschätzung der Mehrheit, sei „zwar völlig unbefriedigend“, aber mehr sei angesichts der geballten Gegenmacht und der mangelnden Unterstützung seitens der Organisation nicht herauszuholen gewesen. Um 11 Uhr 30 wurde das Verhandlungsergebnis von den beteiligten Unternehmensvorständen, dem Betriebsrat und Ministerpräsident Johannes Rau in der Düsseldorfer Staatskanzlei paraphiert. Das Verhandlungsergebnis schreibt die Kooperation zwischen Mannesmann und Krupp endgültig fest. Wie vorgesehen, wird der Aufsichtsrat der Krupp–Stahl AG am 19.Mai einen entsprechenden Stillegungsbeschluß für die Rheinhausener Hütte fällen. 2.150 der derzeit 5.200 bei Krupp beschäftigten Stahlkocher werden einen neuen Arbeitsplatz auf der Mannesmann–Hütte in Duisburg– Huckingen finden. Mindestens bis zum 31.12.1990 wird in Rheinhausen der sogenannte Ein–Ofen– Betrieb samt Stahlwerk mit etwa 1.500 Beschäftigten fortlaufen. Mitte 1989, so sieht das Verhandlungsergebnis vor, soll eine erneute Wirtschaftlichkeitsüberprüfung erfolgen, die, je nach Situation auf dem Stahlmarkt, möglicherweise zu einer Verlängerung der Ein–Ofen–Produktion über 1990 hinaus führen könnte. Das Walzwerk wird am 31.3.1989, 4 Monate später als geplant, gänzlich geschlossen. Schon Ende 1988 wird der größte Verlustträger, die Schienenproduktion, nach Thyssen verlagert. Gleichzeitig ist festgelegt worden, das Ausbildungszentrum, wo derzeit 600 in der Lehre sind, zu erhalten und mit Hilfe von öffentlichen Mitteln zu einem Qualifizierungszentrum auszubauen. Neben der vom Krupp–Vorstand zugesicherten unbegrenzten Weiterbeschäftigung von 700 Mitarbeitern auf dem Rheinhausener Gelände haben sich der Krupp– und Mannesmann–Vorstand verpflichtet, 800 neue Arbeitsplätze in Rheinhausen bis 1991 anzusiedeln, u.a. Betriebe der Stahlweiterverarbeitung und Produktionsanlagen für neue Werkstoffe. Der Rest der Belegschaft wird entweder nach Thyssen (200) und in andere Krupp– Werke (400) versetzt oder über Sozialplan vorzeitig verrentet. Gleichzeitig wurde eine „Maßregelungsklausel“ unterzeichnet, die jede arbeits– und zivilrechtlichen Folgen für die am Arbeitskampf beteiligten Belegschaftsmitglieder ausschließt. Obwohl die Unternehmer bei Werksschließungen zu ähnlichen Zugeständnissen zuvor nie gezwungen werden konnten, bewertete der Betriebsrat in seiner offiziellen Stellungnahme das Ergebnis sehr kühl und distanziert. Das Ergebnis „bleibt weit hinter unseren ursprünglichen Forderungen zurück“. Die Bemühungen um „die Standortsicherung sind gescheitert“. Die „Komprimißlosigkeit“ der Vorstände „ließ eine andere Lösung nicht zu“. Der Wille zu „einer konstruktiven Lösung war bei den Unternehmensvorständen nicht vorhanden“. Auch der angestrebte Kompromiß um eine „Zug um Zug–Lösung“ sei nur „teilweise erreicht“ worden. „Ohne den Kampf der Belegschaft und das politische Gewicht des Ministerpräsidenten“ wäre das Ergebnis, so die Erklärung des Betriebsrates, „nicht möglich gewesen. Insofern gebührt Johannes Rau für seine Bemühungen Dank“. Daß der Kampf nicht erfolgreicher beendet werden konnte, habe vielfältige Ursachen. Mit zunehmender Dauer des Kampfes, so heißt es weiter, „nahm die Solidarität führender Politiker spürbar ab“. Ferner sei es nicht gelungen, den Kampf standortübergreifend auszuweiten. Die Belegschaft in Rheinhausen habe „alles gegeben, was sie zu geben in der Lage war. Ihr gebührt vor allem und uneingeschränkt Dank. Sie geht aus dieser Auseinandersetzung zu Recht mit erhobenen Haupt heraus.“ Walter Jacobs
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