: Gdansk: Lage weiterhin unklar
■ Während die polnische Regierung ihr geplantes Gesetz gegen Streiks überraschend abmildert, ist eine Lösung für den Konflikt an der Lenin–Werft weiterhin nicht in Sicht
Aus Gdansk Klaus Bachmann
Die polnische Regierung will in dem geplanten Gesetz über Sondervollmachten nicht mehr die Befugnisse der legalen Gewerkschaften einschränken. Diese überraschende Ankündigung stammt von Jerzy Urban, dem Regierungssprecher, der vor Journalisten in Warschau darüber hinaus auch eine Lockerung der Strafbestimmungen für die Ausrufung von Streiks in Aussicht stellte. Gefängnisstrafen soll es zukünftig dafür nicht mehr geben. Der Streik auf der Lenin–Werft in Gdansk geht unterdessen weiter. Die Verhandlungen sind aber festgefahren. Und stets bleibt es bei der Drohung, die Werft doch noch zu stürmen. War die Zahl der Besetzer in der Nacht zum Montag schon auf einige Hundert geschrumpft, so gelang es gestern trotz des Polizeikordons vielen Arbeitern, erneut auf das Werftgelände vorzudringen. Die nun über 1.000 Besetzer sind seit der Streiknachricht aus der Warschauer Maschinenfabrik Ursus zwar etwas Hoffnung geschöpft, doch die Äußerungen von Werftdirektor Czeslaw Tolwinskij, die Werft könne geschlossen werden, setzt die Streikenden weiter unter Druck. Piotr Konopka, ein Sprecher der Streikenden, kritisierte das doppelte Spiel des Innenministers Czeslaw Kiszczak, der noch am Sonntag abend einen Kompromißvorschlag gemacht hatte und dann wieder auf einen harten Kurs eingeschwenkt war. Wie erst gestern bekannt wurde, hatten sich der Vermittler, der Warschauer Rechtsanwalt Sila Nowicki, und der Innenminister Kiszczak in der Nacht zum Montag schon auf eine Art gentlemans agreement geeinigt. Fast alle politischen Gefangenen sollten demnach freigelassen werden, während die Streikenden auf ihre Forderung der Legalisierung von Solidarnosc verzichten sollten. Ein gemischtes Gremium aus Vertretern des Streikkomitees und des Verwaltungsrats der Werft sollten die strittigen Fragen klären und Kompromisse finden. Bis Montag acht Uhr früh sollten dann die Streikenden die Werft verlassen haben. Um zwei Uhr nachts stimmte das Streikkomitee diesem Minimalkonsens zu. Doch plötzlich zogen die Direktion und Innenminister ihre Versprechungen und Zusagen zurück. Die Direktion erklärte sich in bezug auf die politischen Forderungen nicht kompetent, und was die Lohnerhöhungen betrifft, müsse sie erst die Möglichkeiten prüfen.
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