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Ginzburg unter Beschuß

■ Forderung nach Rücktritt des Generalsekretärs des Zentralrats deutscher Juden gefordert / Ratsmitglied Bubis: Erklärung reicht jetzt nicht mehr aus

Von Bornhöft und Sieber

Berlin (taz) - Schwere Vorwürfe gegen den Generalsekretär des Zentralrates deutscher Juden, Alexander Ginzburg, hat gestern das Direktoriumsmitglied des Rates, Ignaz Bubis, erhoben. Bubis ist zugleich Vorsitzendender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt. Niemand im Direktorium, so Bubis zur taz, habe von dem Konto gewußt, das Werner Nachmann und Ginzburg eingerichtet hatten. Der verstorbene Vorsitzende des Zentralrats Nachmann wird beschuldigt, bis zu 33 Millionen Mark an Zinsen aus Entschädigungsgeldern unterschlagen zu haben. Man sei immer davon ausgegangen, so Bubis, daß die Bundesregierung die Wiedergutmachungsgelder direkt an die Claims Conference überwiesen habe. „Ich finde es sehr merkwürdig“, fuhr Bubis fort, „daß nach auskunft von Herrn Ginzburg beim Zentralrat überhaupt keine Belege über die Anweisungen der Bundesregierung vorhanden sind.“ Das „mindeste was ich jetzt erwarte, ist nicht nur eine Erklärung, sondern daß Herr Ginzburg zurücktritt“, forderte Bubis. Dagegen stellte sich der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrates, Michael Fürst, schützend vor den Generalsekretär. Es gäbe „überhaupt keine Anhaltspunkte, daß Herr Ginzburg etwas von den kriminellen Machenschaften Nachmanns gewußt hat“. Es sei verständlich, daß sich Ginzburg als Angestellter des Zentralrates Fortsetzung auf Seite 2 Interview auf Seite 5 derzeit nicht äußere. Am heutigen Freitag wolle der Zentralratsvorsitzende Heinz Galinski ein „klärendes Gespräch“ mit Ginzburg führen. Für Spekulationen sorgten gestern auch Berichte des Hessi schen Rundfunks, wonach Steuerfahnder vom badenwürttembergischen Finanzministerium 1980 zurückgepfiffen worden seien, die Bilanzen der Firma Otto Nachmann zu überprüfen. Der damalige Leiter der Steuerfahndung Karlsruhe dementierte dies gegenüber der taz. Die Oberfinanzdirektion Karlsruhe erklärte, eine für 1987 angesetzte Betriebsprüfung sei auf Bitten Nachmanns verschoben worden. Unterdessen hat sich auch der Bundesrechnungshof eingeschaltet. Über mögliche Aufsichtspflichtverletzungen der Bundesregierung will Galinski heute mit Kanzleramtsminister Schäuble reden. Drei Tage nach Bekanntwerden des Finanzskandals um Werner Nachmann konnten die Kontobewegungen noch nicht vollständig aufgeklärt werden. Allerdings wurde gestern bekannt, daß von 1982 bis 1987 rund sieben Millionen Mark von Konten des Zentralrats auf Konten der Nachmann– Firma „Yvonne–Moden“ überwiesen wurden. Das bestätigte der Konkursverwalter des Nachlasses von Nachmann, Eberhard Braun, in Karlsruhe. Der Karlsruher Rechtsanwalt Peter Paepcke bestätigte gestern, daß auf dem Konto der Altstoff–Verwertungsfirma Otto Nachmann 22 Millionen Mark zu Lasten des „Zentralrats“ eingegangen sind. Festgestellt habe er auch, daß vom Oberrat der Israeliten, der Vereinigung der Juden Baden–Württembergs, drei Millionen Mark an die Karlsruher Firma Otto Nachmann gegangen seien, sagte Paepcke. Unklarheit herrscht darüber hinaus, ob die Gelder zur geschäftlichen Sanierung der Firmen von Werner Nachmann verwandt worden sind oder ob die Gelder an andere Stellen abgeflossen sind. Der Karlsruher Rechtsanwalt Paepcke sagte, wenn mehr als 22 Millionen in die Firmen Nachmanns geflossen sein sollten, müßte die Firma heute eigentlich besser dastehen.

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