: Dublin - London: Ein neuer Testfall
■ In Irland begann der erste Prozeß um die Auslieferung eines Gefangenen nach Unterzeichnung der „Anti–Terrorismus–Konvention“
Aus Portlaoise Ralf Sotscheck
Zwei Wärter führen Paddy McVeigh (35) zum Tor des Portlaoise–Gefängnisses. Er hat soeben eine fünfjährige Haftstrafe für unerlaubten Waffenbesitz und Mitgliedschaft in der IRA (Irisch– Republikanische Armee) abgesessen. Vor dem Tor erwarten ihn seine Verwandten und ungefähr 30 Freunde, sowie ein größeres Polizeiaufgebot. Kurz vor dem Tor reißt sich McVeigh los und flüchtet zurück in den Innenhof des Gefängnisses. Schließlich wird McVeigh überwältigt und aufgrund eines britischen Auslieferungsantrags verhaftet, ohne daß er zuvor wenigstens formal freigelassen wird, wie es das Gesetz vorschreibt. Der Prozeß um McVeighs Auslieferung, der am Freitag vor dem Bezirksgericht begann und dessen Dauer auf über zwei Jahre geschätzt wird, ist ein erster Test für die Funktionsfähigkeit des britisch–irischen Auslieferungsabkommens. Zwar hatte Dublin Ende letzten Jahres die europäische Anti–Terrorismus–Konvention unterzeichnet, die den Rahmen für politisch motivierte Taten stark einschränkt, aber in letzter Sekunde setzte Dublin noch eine „Sicherung“ durch: bei Auslieferungsanträgen aus Großbritannien muß der britische Generalstaatsanwalt Beweise vorlegen, da irische StaatsbürgerInnen in der Vergangenheit allzuoft schlechte Erfahrungen mit „britischer Gerechtigkeit“ gemacht hatten. Die Londoner Regierung war ob dieser Sonderbehandlung dermaßen erbost, daß sie die Regelung schlichtweg ignorierte. Als Folge davon stießen britische Auslieferungsbegehren in Dublin auf taube Ohren. Erst vor einer Woche ist es zu einer Einigung zwischen beiden Ländern gekommen, nachdem sich der britische Generalstaatsanwalt Mayhew bereiterklärt hat, die irischen Forderungen nach Beweisen zu erfüllen. Dem aus Belfast stammenden McVeigh wird die Teilnahme an verschiedenen Bombenanschlägen in England zwischen 1981 und 1983 vorgeworfen. McVeigh hat angekündigt, den Fall bis vor das höchste irische Gericht zu bringen, um die Verfassungsmäßigkeit von Auslieferungen feststellen zu lassen. Der erste Verhandlungstag vor dem Bezirksgericht in Carlow endete am Freitag abend mit Verwirrung. Richter Mahon hatte bereits zu Beginn der Verhandlung verkündet, er werde McVeighs Auslieferung anordnen. Auf Nachfrage erklärte der Richter: Bis ich diesen Saal verlasse, kann ich noch 50mal Mal meine Meinung ändern.“ Nachdem McVeigh dann einen Verteidiger akzeptierte, vertagte sich das Gericht bis nächsten Freitag.
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