: Oberster Sowjet für Kooperation
■ Bei seiner Frühjahrssitzung berät der Oberste Sowjet über Wohnungsbau und Landwirtschaft / Die Delegierten sollen über ein neues Genossenschaftsgesetz entscheiden
Berlin (afp/dpa/taz) - Der ehemalige Moskauer Parteichef Boris Jelzin wird nicht mehr dem Präsidium des Obersten Sowjets angehören. Zum Auftakt der Frühjahrssitzung am Dienstag wurde auch der ehemalige Parteichef von Usbekistan, Inamjon Usmanchojajew, aus dem Gremium entfernt. Ihm wird Verfälschung von statistischen Unterlagen über die Baumwollproduktion seiner Republik vorgeworfen. Boris Jelzin dagegen wurde im Herbst letzten Jahres als Moskauer Parteichef abgesetzt, weil selbst Gorbatschow seine Forderungen zu radikal waren. Er bekleidet seither den Posten eines Vizepräsidenten des Staatlichen Komitees des Ministerrats für Bauwesen. Beratungsgegenstand des Obersten Sowjets sind neben dem Wohnungsbau die Probleme der Landwirtschaft. Auf der zweitägigen Sitzung müssen die 1.500 Delegierten über die Annahme eines neuen Genossenschaftsgesetzes entscheiden. Ministerpräsident Ryschkow sprach in seiner zweistündigen Rede von der Notwendigkeit einer gleichberechtigten Stellung der Genossenschaften mit den staatlichen Unternehmen. Die Arbeiter von Staatsunternehmen dürften auch nicht daran gehindert werden, in genossenschaftliche Betriebe überzuwechseln. Über 6000 neue Kooperativen seien seit der Veröffentlichung des Gesetzentwurfs gegründet worden, gab Ryschkow bekannt. Wenn die Bürger produktiv seien, könne es keine zu rechtfertigende Grenze für die Höhe ihrer Einkommen geben. So ist folgerichtig im Gesetzentwurf festgelegt, daß der Staat keinen Zugriff auf das Vermögen der Kooperativen hat. Aber er setzt eine progressive Steuer auf die Gewinne der Kooperativen fest. Bei der Erörterung des neuen Gesetzes zeigte sich wohl zum ersten Mal Uneinigkeit unter den etwa 1.500 Abgeordneten über eine Gesetzesvorlage. Bei den Kritikern handelt es sich offenbar umn Staatsbürokraten und Funktionäre, die durch das Gesetz eine Abkehr vom Sozialismus befürchten. Die endgültige Fassung des Gesetzes tritt am 1. Juli in Kraft. In den heftigen Debatten der letzten Monate wurden immer wieder Klagen laut, daß die Entwicklung der Genossenschaften nicht selten auf den Widerstand der örtlichen Behörden treffe. er
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