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Unheroische Erinnerung an Falkland

■ Umstrittenes TV-Drama über den Falkland-Krieg im britischen Fernsehen / Armee und Öffentlichkeit möchten nicht an die Schattenseiten des Falkland-Abenteuers erinnert werden / Schwerverletzter übt Kritik

Unheroische Erinnerung an Falkland

Umstrittenes TV-Drama über den Falkland-Krieg im britischen Fernsehen / Armee und Öffentlichkeit möchten nicht an die

Schattenseiten des Falkland-Abenteuers erinnert werden /

Schwerverletzter übt Kritik

Aus London Rolf Paasch

Der Falkland-Krieg, Großbritanniens letztes koloniales Gemetzel um 1.916 Einwohner und 690.000 Schafe auf einer obskuren Inselgruppe im Südatlantik, flimmerte den Briten genau sechs Jahre nach Aufgabe der argentinischen Truppen am Dienstag abend in die heimischen Wohnzimmer.

„Tumbledown“ - so wie der Berg, an dem im Juni 1982 die entscheidende Schlacht zwischen den „Argies“ und den Trägern des Union Jack geschlagen wurde - heißt der zweistündige Fernsehfilm, den der englische Regisseur Richard Eyre nach den Erinnerungen des damals 22jährigen Gardeoffiziers Robert Lawrence im Auftrag der BBC drehte. „Tumbledown“ ist die dramatisierte Verarbeitung der persönlichen Erfahrungen des jungen Offiziers, dem bei der finalen britischen Attacke auf die argentinischen Stellungen ein Hochgeschwindigkeitsgeschoß das halbe Gehirn aus dem Schädel blies. Robert Lawrence überlebte, halbseitig gelähmt, aber mit klarem Kopf.

Sein wahrer Kampf beginnt erst nach seiner Rückkehr von der Front. Während die leichtverletzten Falklandhelden auf dem englischen Luftwaffenstützpunkt von Brize Norton von der Presse enthusiastisch empfangen werden, wird Robert mit den restlichen unansehnlichen Kriegskrüppeln still durch den Hinterausgang hinausgerollt. Als die Nation ihre Helden in der Kathedrale von St. Pauls mit einer Erinnerungsmesse ehrt, werden Robert und die anderen verstümmelten Kämpfer in ihren Rollstühlen hinter einer Trennwand geparkt: damit die Öffentlichkeit keine falsche Vorstellung von der Ästhetik des von ihr so einstimmig unterstützten Krieges bekommt. Später gibts dann für Robert einen Orden - und die Abschiebung in eine Hospital-Klitsche. Einer von 443 Schwerverletzten in einem Krieg mit über tausend Toten, muß Robert Lawrence sich von nun an nicht nur mühsam die Funktionsfähigkeit seiner zerstörten Gliedmaßen zurückerobern, sondern auch noch gegen die Verdrängung des militärischen Establishments kämpfen, das in Großbritannien mehr ist als nur eine Armee: eine Mischung aus Lebensweise, Milieu und Klasse.

In Rückblenden setzt der Film das Bild von Robert und dieser seiner Klasse wie ein Puzzle zusammen: Macho-Auftritt der Privatschulzöglinge vor den „girls„; herbe Männerfreundschaften in der Offiziersmensa; Sturm und Drang -Gefühle beim Manöver; der überstürzte Weg aus dem Bett der Freundin - eine Tochter aus höherem Hause, versteht sich auf die „HMS Invincible“ hinaus in den Südatlantik; die Bordvideos von „Apokalypse Now“ und „Headhunter“ auf der Überfahrt zum Kriegsschauplatz; die Faszination des Ernstfalles, der Kriegstaumel, als er einem „please„ -wimmerndem Argie noch das Bajonett in die Brust rammt - ehe es ihn schließlich selbst ereilt. Und nach all dem, Fakt und Fiktion, vergißt die Nation ihren Helden! Daß in Großbritanniens erster kulturellen Auseinandersetzung mit dem völlig verdrängten Falkland-Krieg ausgerechnet ein Insider das Verhalten des militärischen Establishments kritisiert, einer der auch heute noch mit seinem Resthirn an die Berechtigung des Südatlantik-Abenteuers glauben will, konnte nicht gut gehen.

Von dem Augenblick an, wo die Armee von der Kooperation ihres Ex-Offiziers mit den Filmemachern wußte, wurde versucht, das Projekt „Tumbledown“ zum Scheitern zu bringen. Der Fernsehfilm wurde als linke Polit-Propaganda gebrandmarkt. Robert Lawrence erhielt unverhüllte Drohungen von seiten seiner ehemaligen Mit-Militärs. Doch er und die BBC hielten der in der Boulevardpresse geführten Verleumdungskampagne stand. Der Film ging am Dienstag fast ungekürzt über den Sender. Doch der Geist, in dem die Army jahrhundertelang ihr schmutziges Geschäft fernab der Heimat mit Stolz, Stil und sturer Effizienz erledigte, scheint im militärischen Establishment Großbritanniens so lebendig wie je zuvor.

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