piwik no script img

SPÜLS NOCHMAL

■ Herbert Achternbusch-Retro im Moviemento

SPÜLS NOCHMAL

Herbert Achternbusch-Retro im Moviemento

Achternbusch sagt: „Zur Erhaltung meines Lebens war immer das Kino notwendig.„ Vielleicht geht es den paar tausend Freunden seiner Filme ähnlich und sie kriegen wieder Luft in ihrer Gummizelle, wenn sie zum ersten, zweiten oder dritten Mal einstimmen können in den Wirtshauschor, der atemlos „Atemnot“ keucht. „Wo aber ist ein Trost für den Geist, der allein schon durch das durch die Ader irrende Blut verwirrt ist.„ („Depp“).

Achternbuschs Filme sind konzentriert-verwirrt, monologisch -aufdringlich, besessen anarchistisch. Kein pickliges Teenie -Punker-Selbstmitleid, keine kurzatmige Verzweiflung. In „Die Atlantikschwimmer“ sind wirklich Männer wirklich am Ende. Seine Filme werden denen, die „skurrile“ Komödien, wie auch denen, die Geschichten erwarten, langweilig und überflüssig erscheinen. Den manisch-depressiven, den Hysterikern, den wutentbrannten Masochisten hingegen werden sie gefallen.

In Andechs, dem Wallfahrtsort für Biertrinker, lebt ein Lehrer. Er vernachlässigt seinen Unterricht, nimmt seine Frau nicht wahr und schiebt sein Kind weg. Aber im Suff bricht auch die Angst ein. Morgen wird es mit dem dahingehen, morgen wird der sterben, denn er ist ein Lehrer, der vor Prüfungen bis zur Todesangst durchdreht. (Andechser Gefühl) Zwei Freunde sind allgemein lebensmüde. (Atlantikschwimmer) In dieser Bierhölle hätte sich ein anderer Filmer am zweiten Tag aufgehängt ... Wir sprachen von Kamikaze-Einsätzen. (Bierkampf) Am Starnberger See lebt er Dichter A. Nicht zu glauben, in der linden Föhnluft liegen Eis und Tod - nach seiner Meinung. (Servus Bayern) Alles ist Wüste. Wenige haben überlebt. (Der junge Mönch) Nichts geht, was der Depp hegt. Er ist nicht schlau, hat kein Geld und keine Frau. Man wirft ihn aus dem Garten, mit seinem Gift. (Depp)

Vielleicht wären die Filme ungenießbar, wenn da nicht die schweigsamen Landschaften wären, Pausen nach fast unendlichen Monologen, in denen der Zuschauer zu arbeiten hatte, Stille - ein Glanz auf Gesichtern oder Maßkrügen. In Bayern ist alles Natur und dem Nichtbayern ist der Bayer, wenn er spricht, schon Natur.

Szenen und Sätze bleiben zurück im Kopf wie der Monolog des aidskranken Kurt Raab in seinem neuesten Film „Wohin„; vom Isolationsbedarf zum KZ-Bedarf und die Antwort von Gabi Geist: Ach, gehn Sie mir mit Ihrem windigen Aids. Kleine Filme, die eine kleine Kunst, eine regionale Kunst am Rande, gegen die kreativitätsstötende Norm der Meister propagieren. Es gibt „künstliche“ Anfänge und „künstliche“ Endungen - es hätte immer schon angefangen haben können und es könnte immer so weitergehen im manischen Assoziieren. Denn nichts schreit mehr nach Gestaltung ... Denn in allem ist schon der Krieg drin! Das ist der Druck der Zerstörung, dem das Gesetz der Unterbrechung weichen mußte. Verflucht mit mir die normalen Wünsche! (Olympiasiegerin)

Achternbusch wünscht sich, irgenwann einen Sexfilm zu machen. Der Titel steht: „Vögeln, Vögeln“.Detlef Kuhlbrodt

„Play it again, Herbert“ - Achternbusch Retro (+ „Wohin“) im Moviemento bis zum 19. Juni.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen