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Stangeneis: Ein kalter Hauch aus Ost-Berlin

■ Seit 38 Jahren verkauft Hans Czaby Stangeneis / Die gesamte Eisproduktion läuft in Ost-Berlin / Am Wochenende ist der Umsatz besonders groß / Die Stange kostet 10 Mark / In den alten Holzfässern

Stangeneis: Ein kalter Hauch aus Ost-Berlin

Seit 38 Jahren verkauft Hans Czaby Stangeneis / Die gesamte Eisproduktion läuft in Ost-Berlin / Am Wochenende ist der

Umsatz besonders groß / Die Stange kostet 10 Mark / In den alten Holzfässern blieb das Bier länger kühl / Früher war

das so: Im Winter Kohlen, im Sommer Eis

taz: Wo kommt Ihr Stangeneis denn her?

Czaby: Aus Berlin-Ost. Aus der DDR, vom Kühlbetrieb. Das wird jeden Tag geliefert, mit LKWs. Ich hab das Eislager Berlin-West, bei mir kaufen alle.

Seit wann importieren Sie das aus'm Osten? Wird denn in West-Berlin gar kein Stangeneis hergestellt?

Nein, die haben alle verlagert, nach Hamburg. Die DDR deckt das seit 1970 ab. Ich mach das seit 1950. Ich hab einen Vertrag vom Senat, und alle kommen sie bei mir abholen.

Wie sieht das Stangeneis denn aus?

Das ist einen Meter lang und 25 Kilo schwer und wird unverpackt geliefert. Eingepackt ist nur das Trockeneis. Das brauchen die für Discos, für Shows, weil das nebelt.

Wer kauft ihr Eis?

Die chemische Industrie, das Materialprüfungsamt, das Eichamt, dann die Laubenpieper. Bei Hochzeiten und Feten wird das auch gekauft. Da wird dann in die Badewanne ein Handtuch gelegt, dann kommen Flaschen drauf, und dann das Eis. Die Kälte drückt dann von oben und alles bleibt kühl. Oder Bierfässer: Da werden Eisblöcke draufgelegt.

Heute sind die ja aus Aluminium, die werden schneller warm. Wenn die durch die Hitze gefahren werden, kriegen die schnell 50 bis 60 Grad. Früher waren die Fässer aus Holz, die waren neutraler. Deswegen nehmen die das Stangeneis, weil die kleinen Kühlmaschinen in den Kneipen das gar nicht schaffen würden, die Temperatur alleine runterzukriegen.

Wie ist denn im Sommer der Umsatz bei Ihnen?

Das ist ganz verschieden. Das letzte Wochenende war furchtbar, da wollten alle was. Ganz Berlin hat gefeiert: Die Amerikaner haben Tag der Offenen Tür gehabt, die Franzosen auch, dann war Fußball, dann hatten die Türken eine Menge Feste, also alles durcheinander. Da war nichts abgesprochen, da war dann alles ausverkauft.

Wieviel haben Sie denn auf Lager?

Ins Lager gehen tausend Stangen rein. Und dann haben wir noch ein Reservelager, da gehen so 500 rein. Eine Stange kostet 10 Mark, wenn Sie's abholen. Die werden auf Plastikpaletten gelagert, Holz hält das nicht aus. Das wird gleichbleibend gefroren.

Seit wann haben Sie das Geschäft?

Also, mein Vorgänger hat 1780 angefangen.

1780!?

Ja, das war am Teltower See. Da war das die ganzen Generationen durch. Früher war das so: Im Winter haben die Eishändler Kohlen verkauft, im Sommer Eis.

Wie haben die das denn gelagert?

Nur mit Stroh. In der Domäne Dahlem gibt es heute noch den alten Eiskeller. Da haben die das Eis runtergeschmissen, das hatten die aus den Bächen und Flüssen. Das wurde sehr tief in der Erde gelagert, und so hatten die den ganzen Sommer über Eis.

Verraten Sie mir noch Ihr Alter?

Na, da müssen's schon herkommen, gell.Interview: C.C. Malzahn

Das Eislager des Herrn Czaby liegt in Lichterfelde, Ostpreußendamm 133. Telefon: 772 38 07. Die Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 13-17, Samstags von 7-16, Sonntags von 8-10 Uhr.

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