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Vietnam-Veteranen brechen nach Nicaragua auf

■ Am Montag startete der Friedenskonvoi US-amerikanischer Kriegsveteranen / In Nicaragua wollen sie 250 Tonnen Medikamente, Lebensmittel und Kleider für Kinder verteilen / Politische Demonstratio

Vietnam-Veteranen brechen nach Nicaragua auf

Am Montag startete der Friedenskonvoi US-amerikanischer

Kriegsveteranen / In Nicaragua wollen sie 250 Tonnen

Medikamente, Lebensmittel und Kleider für Kinder verteilen / Politische Demonstrationen gegen Kriegspolitik und Contra -Hilfe der Reagan-Administration

Von G.Aschemann und R.Paul

Austin/Texas (taz) - Auf dem Platz vor dem Kapitol, einer getreuen, der texanischen Selbsteinschätzung gemäß etwas größeren Kopie des Originals in Washington, sind über 40 Lastwagen, Omnibusse und Kleintransporter aufgefahren. Die Fahrzeuge sind mit Parolen verziert: „Stoppt die Contra -Hilfe“ und „Keine Intervention in Zentralamerika“. Aus einem Lautsprecher ertönt die Stimme eines Mannes, der über seine Kriegserfahrungen berichtet. 140 Veteranen aus dem Vietnam-Krieg, dem Korea-Krieg und der Grenada-Invasion sowie eine Gruppe ehemaliger CIA-Agenten sind am vergangenen Montag vor dem Regierungspalast der Stadt zusammengekommen, um von hier aus in einer Auto-Karawane nach Nicaragua aufzubrechen.

Eigentlich ist die Aktion „Veterans Peace Convoy to Nicaragua“ bereits vor zwei Wochen angelaufen. Von vier Städten des Landes aus hatten sich die Fahrzeugkolonnen nach Austin aufgemacht, unterwegs Kundgebungen abgehalten und Spenden gesammelt. Die Bereitschaft der Bevölkerung, die Aktion der ehemaligen Soldaten zu unterstützen, übertraf alle Erwartungen. Mehr als 250 Tonnen an Medikamenten, Lebensmitteln und Kleidung kamen zusammen, eine Menge, die das Fassungsvermögen der Konvoi-Fahrzeuge weit überschreitet. Der größte Teil der gespendeten Waren lagert nun in einer Kirche in Austin und wartet auf die Verschiffung nach Managua. Dort sollen die Hilfsgüter über das Rote Kreuz und kirchliche Organisationen an die Kinder verteilt werden, die „Hauptbetroffenen eines Krieges, den unsere Regierung gegen Nicaragua führt“, wie Duncan Murthy, Vietnam-Veteran und Sprecher des Konvois, sagt. Zudem ist der Konvoi auch eine politische Demonstration gegen die Kriegspolitik der Reagan-Administration und deren Unterstützung der Contras.

Die Idee entstand im November letzten Jahres. 19 Delegierte von US-Veteranenorganisationen bereisten damals die Kampfgebiete in Nicaragua, um sich persönlich ein Bild von der Situation zu machen. „Als wir die Dörfer sahen“, berichtet Duncan Murthy, „stiegen in uns Bilder aus Vietnam hoch. Der Lärm der Geschosse, die Art, wie sich die Menschen in der Gefahr bewegten, ja selbst der Geruch war derselbe, wie wir ihn von damals kannten. Uns wurde klar, daß in Vietnam wir die Contras waren. Wir waren damals die Instrumente, mit denen Leute getötet wurden.“ Aus dieser Erkenntnis heraus wurde die Idee des Konvois geboren.

In Austin werden die Veteranen vom Büro der „Chicanos gegen die militärische Intervention in Lateinamerika“ (CAMILA) betreut. „Chicanos“ nennen sich die US-Bewohner mexikanischer Herkunft. Präsident der CAMILA von Austin ist Gilberto Rivera. „Wir sind fünf Latinos im Konvoi“, sagt er, „der Rest sind Nordamerikaner.“ An der Wand seines Büros hängt ein Bild der Jungfrau von Guadelupe neben dem Konterfei von Che Guevara.

Das Camp der Veteranen liegt 20 Kilometer außerhalb von Austin: Eine provisorische Küche, ein Versammlungsgebäude, im Schatten von Bäumen bunte Zelte. Am Tag vor der Abfahrt ist noch viel zu tun. Zwischen Vollversammlung und gewaltfreiem Training werden Visa gecheckt, ärztliche Tips gegeben und die Gruppensprecher bestimmt.

Die 140 Veteranen wollen über Mexiko, Guatemala und Honduras nach Nicaragua fahren und am 17. Juni in Managua eintreffen. Während die Fahrt durch Mexiko gut vorbereitet ist - allein in der Hauptstadt werden über 80 politische, gewerkschaftliche und kirchliche Gruppen die Karawane empfangen -, steht hinter Guatemala und Honduras noch ein großes Fragezeichen. Joseph Franklin, Korea-Veteran aus Auckland/Kalifornien, rechnet spätestens an der honduranischen Grenze mit Schwierigkeiten. Dabei denkt er an Militärsperren und Provokationen bis hin zu direkten Übergriffen. Um möglichst freie Fahrt zu erwirken, hat der Konvoi am Dienstag einen Unterhändler vorausgeschickt. Der ehemalige CIA-Agent Philip Roettinger, 1954 aktiv am Sturz der reformerischen Regierung Arbenz in Guatemala beteiligt, ist nach Tegucigalpa geflogen, um mit nicht näher genannten Kontaktleuten zu verhandeln. In Tegucigalpa, der Hauptstadt von Honduras, will auch der Vietnam-Veteran Brian Willson zum Konvoi stoßen. Willson hatte am 1. September des vergangenen Jahres bei der Blockade eines Militärzuges mit Waffen für die Contra beide Beine verloren.

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