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Trauer über den Raketen-Abzug

■ Die US-Army läßt die Weltpresse in Mutlangen die Abrüstung feiern / In dreißig bis neunzig Tagen soll mit dem Abzug der Pershing II und Cruise Missiles begonnen werden / 6.000 GI s werden abgezogen / Staatsse

Trauer über den Raketen-Abzug

Die US-Army läßt die Weltpresse in Mutlangen die Abrüstung

feiern / In dreißig bis neunzig Tagen soll mit dem Abzug der Pershing II und Cruise Missiles begonnen werden / 6.000 GI's werden abgezogen / Staatssekretär Rühl beschimpft Grüne und Friedensbewegung

Aus Mutlangen Dietrich Willier

„Welcome Media, 8 June 1988“, verkündete ein Transparent an der Schwäbisch Gmünder Bismarckkaserne gestern die aus Bonn angekarrte Weltpresse. Warngänse wie im römischen Kapitol schnatterten, die US-Flagge hing, wegen Borken, auf Halbmast, Helfer aus dem Rathaus verteilten Prospekte. Per Diavortrag demonstriert ein US-Presseoffizier die bevorstehende Abrüstung.

Über 200 Journalisten, darunter wenigstens 15 TV-Teams, bekamen gestern von der US-Armee das, wofür die bundesdeutsche Friedensbewegung jahrelang gekämpft hat: Sie durften in den Pershing-Standort Mutlangen einmarschieren und bekamen den Fahrplan für den Abzug der Atomwaffen ausgehändigt. Die Demonstranten blieben weiterhin draußen vor der Tür.

In 30 bis 90 Tagen soll in Mutlangen, Heilbronn und Neu-Ulm mit der Demontage dort stationierter Pershing II-Raketen, und den in Hasselbach stationierten Cruise Missiles begonnen werden. Voraussichtlich Anfang September wird in dem Pershing-Stützpunkt Heilbronn damit begonnen werden, die Raketen zu zerlegen. Verpackt erfolgt dann der Abtransport in die Vereinigten Staaten, dort erst folgt die endgültige Vernichtung. Die Raketen und ihre Trägerlaffetten sollen zerschnitten, zerquetscht und plattgewalzt werden. So erklärte es gestern Brigadegeneral Bean vom 56 Feldartillerie-Bataillon der US-Armee in Mutlangen der versammelten Weltpresse. Insgesamt werden voraussichtlich 6.000 GIs aus den Pershingstandorten abgezogen, die Lagerhallen dort demontiert. Bis in drei Jahren soll das alles zu Ende sein, alles wie vereinbart unter den Augen sowjetischer Beobachter.

Und drinnen, hinter den hohen Sichtschutzwänden der Basis Mutlangen? Für die Journalisten haben sich dort liebevoll ein paar ältere GIs vor einer Pershing aufgebaut. Sie seien traurig, daß ihre Raketen vernichtet werden, schließlich hätten sie teilweise seit 20 Jahren mit unterschiedlichen Pershings gelebt. Fotografen werden aufgefordert, nicht auf die Raketen zu klettern.

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Mutlangen ...

Die Journalisten sind die ersten, die das Innere des Molochs bewundern können. Seit über fünf Jahren haben hier oben vor dem Mutlanger Tor 'zig Tausende von Menschen demonstriert und auf die Gefahren des atomaren Holocaust hingewiesen. Seit dem Abschluß des INF-Abkommens im vergangenen Jahr sind einige der Dauerdemonstranten abgezogen und haben sich neue Orte für ihren gewaltfreien Widerstand gesucht. Ein paar Dutzend meist bekannte Gesichter standen aber auch gestern mit ihren Friedenstransparenten und Sandwiches vor dem Mutlanger Tor und bildeten eine Gasse für die Journalistenbusse. Auch sie schien das amerikanische Pressespektakel nicht glücklich zu machen.

Drinnen demonstrierten Pershing-Einheiten, wie sie sich Demontage und Abrüstung vorstellen. Eine Einheit bemühte sich redlich, eine Rakete in ihre Bestandteile zu zerlegen. Wie beim „Jetzt-helfe-ich-mir-selbst“ hatte ein Gruppenführer seine Demontageanleitung vor sich aufgeschlagen. Die erste Stufe war schon demontiert, der Rest blieb unerfüllte Hoffnung. Was die Baukräne an zwei Neubauten mit der Abrüstung zu tun hätten, weiß niemand zu sagen.

Staatssekretär Rühl vom Bonner Verteidigungsministerium hatte zuvor das Abrüstungsabkommen als „Erfolg einer umstrittenen Politik“ bezeichnet und der betroffenen Bevölkerung gedankt. Eine kleine Minderheit - gemeint waren Grüne in Bonn und die bundesdeutsche Friedensbewegung - so Rühl, habe versucht, die eigene Verhandlungsposition zu schwächen, und habe sich zum Werkzeug der Gegenseite gemacht. Der Presserummel geht zu Ende, US-Botschafter Richard Burt dankt noch einmal seiner Regierung. Bei der Abfahrt werden die Journalisten mit Flugblättern auf die weit über 2.000 Strafverfahren gegen Blockierer von Pershing -Transporten aufmerksam gemacht.

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