: Nagelprobe für ungarische Führung
■ Aktionen der Opposition für die Verfolgten von 19 56 heute in Budapest
D O K U M E N T A T I O N Nagelprobe für ungarische Führung
Aktionen der Opposition für die Verfolgten von 19 56 heute in Budapest
Die ungarische Opposition hat heute zu Aktionen für die Rehabilitierung der Opfer des Aufstandes von 1956 aufgerufen und will damit die neue Parteiführung zwingen, endlich diesen „weißen Flecken“ der Geschichte Ungarns zu tilgen. Wir dokumentieren Umzüge aus einem „Aufruf an die ungarische Gesellschaft“.
Vor 30 Jahren, am 16.Juni1958, wurden Imre Nagy, der zur Zeit der am 23.Oktober1956 entfesselten ungarischen Revolution Ministerpräsident war, sowie Verteidigungsminister Pal Maleter und der Journalist Miklos Gimes hingerichtet. Ein anderer Angeklagter des Nagy -Prozesses, Jozsef Szilagyi wurde bereits im März gehenkt, und der Staatsminister Geza Losonczy war vor dem letzten Akt der gerichtlichen Farce im Dezember im Gefängnis umgekommen.
Seit drei Jahrzehnten sind Hunderte von Opfern der am 4.November 1956 beginnenden rachsüchtigen neostalinistischen Restauration auf dem Friedhof von Rakoskeresztur, versteckt unter der Gebüschwildnis von der entlegenen Parzelle Nummer 301.
Die Vergeltung nach der Niederwerfung der Revolution ist beispiellos in der ungarischen GEschichte: die Habsburger, Haynau und Horthy hatten nach den niedergeschlagenen ungarischen Revolutionen weniger Menschen verfolgt, verurteilt, hingerichtet oder in die Verbannung gezwungen, als die nach dem 4.November 1956 entstandene Macht. Der erste Mann des Systems versprach eine Woche nach seiner Machtergreifung vor aller Welt: „Für die Teilnahme in den Ereignissen darf niemand zur Verantwortung gezogen werden.“ Höchste Zeit, daß wir dieses Versprechen mit der Realität der Parzelle 301 konfrontieren.
Die politische Führung wollte bis heute nicht dulden, was an die Revolution erinnert. Die Methode der offiziellen Politik ist Schweigen und die Förderung des Vergessens, beides wird mit bewußten Veleumdungen und Lügen ergänzt. Es ist höchste Zeit, daß die ungarische Gesellschaft eine vollständige, moralische, politische und juristische Rehabilitierung der lebendigen und toten Opfer der Vergeltung fordert.
Die Akten des international berüchtigt gewordenen Rajk -Prozesses, und die Dokumente anderer Schau-Prozesse sind bis heute unter Verschluß. In allen diesen Prozessen, die gegen Mitglieder und Führer von demokratischen Parteien, Kirchen, und gegen sogenannte Saboteure gerichtet waren, wurden fast ausnahmslos unschuldige Menschen verurteilt. Einige wurden später - hinter verschlossenen Türen - im juristischen Sinn rehabilitiert. Die Zehntausende, die als „Klassenfeinde“, als „klerikale Reaktionäre“, als „Titoisten“, als „wirtschaftliche Übeltäter“ ohne Urteil interniert, deportiert, in die Zwangsarbeits-Lager geschickt wurden, sind aber bis heute weder politisch noch moralisch oder juristisch rehabilitiert.
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