: 129a-Verfahren wird eingestellt
■ Fünf junge Leute, die wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung angeklagt waren, müssen Geldbuße an das Bayerische Rote Kreuz zahlen / BUND Naturschutz als Bußgeldempfänger nicht akzeptiert
129a-Verfahren wird eingestellt
Fünf junge Leute, die wegen Unterstützung einer
terroristischen Vereinigung angeklagt waren, müssen Geldbuße an das Bayerische Rote Kreuz zahlen / BUND Naturschutz als Bußgeldempfänger nicht akzeptiert
Aus München Luitgard Koch
München (taz) - Nach vier Verhandlungstagen stellte gestern der dritte Strafsenat des Bayerischen Obersten Landgerichts das Verfahren gegen fünf junge Leute aus dem Raum Schwandorf wegen geringer Schuld ein. Die fünf aus dem Oberpfälzer Widerstand gegen die „Atommüllfabrik“ waren nach §129a angeklagt.
Grund: Zusammen gründeten sie das Blättchen 'Schwandtner Allgemeine‘ und veröffentlichten in der Ausgabe vom Juli '86 einen Artikel mit der Überschrift „Einzelaktion oder RAF Sommeroffensive“ und daneben einen RAF-Stern. (s. taz v. 8.6.88) Nachdem sie sich vor Gericht mehrmals eindeutig von der RAF und ihren Methoden distanzierten und des weiteren festgestellt wurde, daß der inkriminierte Artikel in großen Teilen vom Hamburger Nachrichtenmagazin 'Der Spiegel‘ übernommen war, stimmte das Gericht einer vorläufigen Einstellung zu.
Diese wurde jedoch auf Antrag des Staatsanwalts mit Auflagen verbunden. 1.500 Mark Geldbuße in monatlichen Raten von 100 Mark an das Bayerische Rote Kreuz müssen vier der Angeklagten bezahlen. Bei dem 23jährigen Norbert L. wurde die Buße auf 1.000 Mark gesenkt, da auf ihn noch das Jugendstrafrecht angewandt wurde.
Streit gab es bei der Frage, an welche Organisation die Geldbuße zu zahlen sei. Den Vorschlag der Angeklagten, das Geld an den BUND Naturschutz zu überweisen, lehnte das Gericht ab. Selbst eine Behindertenwerkstatt in Schwandorf wurde nicht akzeptiert. Begründung: Es solle keine Gruppierung unterstützt werden, die auch nur die entfernteste Affinität mit dem Gegenstand der Verhandlung habe. Deshalb habe das Gericht auch davon abgesehen, etwa den „Verein verletzter Polizisten“ vorzuschlagen. „Wenn der Senat in diesem besonderen Fall das Verfahren nach §153a eingestellt hat, bitte ich das nicht mißzuverstehen als messe das Gericht dem Vorwurf kein Gewicht bei“, betonte Richter Gleitsmann ausdrücklich. Damit versuchte er sich bei seinen Vorgesetzten abzusichern. Derselbe Senat hatte nur auf Intervention des Generalbundesanwalts und des Bundesgerichtshofes das Verfahren gegen die fünf eröffnet.
Des weiteren verwies Gleitsmann darauf, daß Sitzblockaden nach dem Urteil des BGH grundsätzlich strafbar seien. Sein zweiter Hinweis bezog sich auf die Polizeieinsätze an der WAA. Da allein der Staat für die äußere und innere Sicherheit zu sorgen habe, müsse die Polizei „notfalls auch mit Knüppel“ Gewalt anwenden. Diese richterlichen Hinweise bezogen sich auf die Aussagen des 24jährigen Peter E. Er erzählte vor Gericht, daß seine Freundin auf dem WAA-Gelände von Polizisten niedergeknüppelt worden war. Des weiteren distanzierte er sich nicht von Sitzblockaden.
Nicht zum erstenmal hat damit das Bayerische Oberste Landesgericht ein 129a-Verfahren trotz Anweisung der Generalbundesanwaltschaft und des BGH eingestellt. Bereits im Januar dieses Jahres wurde ein junger Mann, der in der U -Bahn die Parole „Zusammenlegung der Gefangenen der RAF“ sprühte, wegen Sachbeschädigung jedoch nur zu einer Geldstrafe verurteilt. (jedoch nur?? das reicht ja wohl!die k.)
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