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Sofortprogramm für die Nordsee

■ Umweltminister der norddeutschen Küstenländer hielten Krisenrat / Vollmundige Beschlüsse, gepaart mit Finanzersuchen an die Bundesregierung /Absage an Preussag-Pläne zur Ölsuche / Neue Greenpeace-Aktion

Sofortprogramm für die Nordsee

Umweltminister der norddeutschen Küstenländer hielten

Krisenrat / Vollmundige Beschlüsse, gepaart mit

Finanzersuchen an die Bundesregierung /Absage an Preussag -Pläne zur Ölsuche / Neue Greenpeace-Aktion

Husum/Berlin (ap/taz) - Unter Vorbehalten Niedersachsens beschlossen die Umweltminister, daß Abfälle aus Norddeutschland künftig weder in der Nordsee verklappt noch auf hoher See verbrannt werden sollen. Für Niedersachsen erklärte ein Vertreter des Umweltministeriums, Verklappungs oder Verbrennungsgenehmigungen seien vom Bund erteilt worden und deshalb nicht Angelegenheit der Länder. Unter Anspielung auf die Absicht der Preussag, im Wattenmeer nach Öl zu bohren, hieß es übereinstimmend, die Ausbeutung von Rohstoffen in ökologisch empfindlichen Gebieten solle nicht zugelassen werden.

Gemeinsam forderten die vier Küstenländer von der Bundesregierung und von anderen Bundesländern finanzielle Hilfen, da der Schutz von Nord- und Ostsee zu einer nationalen Aufgabe werde und von den norddeutschen Ländern finanziell nicht allein bewältigt werden könne. So müsse Bonn finanzielle Hilfen für den Bau von Filteranlagen in Klärwerken geben und auch mit Mitteln für Landwirte aushelfen, die auf Dünger und Pestizide verzichteten.

Unter dem Druck von Robbensterben und Algenpest haben die norddeutschen Küstenländer am Dienstag in Husum ein „Sofortprogramm“ für die Nordsee beschlossen. Neben dem Bau neuer Filteranlagen für Klärwerke seien auch höhere Anforderungen an Schadstoffeinleiter vorgesehen, sagte Schleswig-Holsteins Umweltminister Heydemann nach dem „Aktions-Gespräch“ der Umweltminister aus Schleswig -Holstein, Bremen, Niedersachsen und Hamburg. Kurz zuvor war bekannt geworden, daß jetzt auch vor der ostfriesischen Küste mit einem gefährlich wachsenden Algenteppich zu rechnen ist. Niederländische Umweltexperten rechneten am Dienstag damit, daß die Hälfte des Robbenbestandes ihres Landes dem Tiersterben zum Opfer fallen könnte.

Die bundesdeutschen Küstenländer einigten sich darauf, alle größeren Klärwerke mit Filteranlagen zur Phosphat- und Stickstoffreduzierung auszustatten. Noch nicht geklärt sei, wie die erheblich teurere und technisch schwierigere Stickstoffreduzierung verwirklicht werden könne, sagte Heydemann. Stickstoffe und Phosphate erhöhen den Nährstoffgehalt und tragen damit zur Algenvermehrung bei.

Da auch die Landwirtschaft diese Schadstoffe ins Wasser leitet, sollen Bauern nach Heydemanns Angaben höhere Entschädigungen erhalten, wenn sie „drastisch weniger“ oder gar keine Dünger und Pflanzenschutzmittel einsetzten. Ferner sollten Abfälle aus Norddeutschland künftig weder in der Nordsee verklappt noch auf hoher See verbrannt werden. Die Küstenländer forderten die Bundesregierung auf, mit finanziellen Hilfen zum Meeresschutz beizutragen. Auch die anderen Bundesländer seien gefordert. Die derzeitige katastrophale Situation des Meeres müsse auch Thema des EG -Gipfels Ende Juni in Hannover werden.

14 Tage, nachdem Greenpeace das Verklappungsschiff Kronos an die Kette gelegt hatte, war gestern das Schwesterschiff Titan an der Reihe. Im Rahmen des Aktionstages der Aktionskonferenz Nordsee enterten heute morgen Greenpeace -Aktivisten das Schiff und zogen aktuelle Proben. Die Mannschaft war von dem Auftauchen der Umweltschützer völlig überrascht. Zu Auseinandersetzungen kam es nicht.

Parallel zu dieser Aktion wurden in 36 Städten der Bunderepublik die Klärwerke „inspiziert“. Diese tragen durch den hohen Eintrag von Phosphaten und Nitraten zum Sterben der Nordsee bei. Wie wenig der Beschluß der Umweltminister der norddeutschen Küstenländer über eine dritte Reinigungsstufe bringt, zeigt das Beispiel Bremen: Ende des Jahres wird die Planung zum Ausbau vorliegen, an eine Realisierung ist jedoch so bald nicht zu denken: Im leeren Haushalt der Stadt ist bislang keine Mark für das 100 -Millionen-Projekt vorgesehen.

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