: Neuheißunddeutsch
■ Vor fröstelndem Publikum spielten die „Rainbirds„im alten Rollsportstadion schöne originelle Kompositionen
Leider war es etwas kühl, und da konnte das rechte Open-Air -Gefühl nicht aufkommen. Bei den heißen Würstchen gab's längere Schlangen als am Biertresen, und man vermißte den Stand mit Glühwein oder Kaffee. Dabei ist das alte Rollsportstadion am Osterdeich ideal für Konzerte im Freien. Richtig gemütlich liegt es im Grünen, ein bißchen altmodisch wirkt es und kleiner als es ist, immerhin sollen 4000 Zuschauer darin Platz finden.
Am Sonntag war es aber nur zu einem Drittel gefüllt, und das war schon ein wenig überraschend, wo doch die Rainbirds als die neueste und heißeste deutsche Neuentdeckung gefeiert werden und im Frühjahr die ganze Neustadt von enttäuschten Fans verstopft war, die keine Karte mehr für ihr Konzert im Modernes ergattern konnten. Vielleicht war das Wetter schuld, oder nach nur vier Monaten war es noch zu früh für ein weiteres Konzert in Bremen. Oder: Seit Wochen wurde alle paar Minuten von Radio Bremen 4 ein extrem ekliges Jingle für das Konzert gesendet: ein Paradebeispiel für kontraproduktive Promotion, das die jungen Bremer auch dazu angeregt haben mag, in Scharen zuhause zu bleiben.
Die Vorgruppe „Commando“ aus Schweden, auch mit einer Frau als „frontman“, hatte im Grunde nur die dramaturgische Funktion, die Hauptgruppe in noch strahlenderem Licht dastehen zu lassen. Sie spielten ganz öde, konventionelle Rockmusik,
so offensichtlich alter Wein in neuen Flaschen, daß die uralten Songs von Led Zeppelin oder Marc Bolan - die gespielt wurden, nachdem das eigene Repertoire der Gruppe erschöpft war - noch am modernsten klangen.
Die „Rainbirds“ hatten dann alles, was „Commando“ fehlte. Originelle, schöne Kompositionen, gespielt in einem leichten, sparsamen und sehr professionellen Stil mit rauhem Charme, und vor allen Dingen die „Leading Lady“, Katharina Franck, über die schon Rainer Köster in der taz geschwärmt hat. Ihre Stimme, Kompositionen und sypmathische Bühnenpräsenz machen auch hauptsächlich den Erfolg der Gruppe aus. Aber auch Wolfgang Glum am Schlagzeug, Beckmann am Bass und Gitarrist Rodrigo Gonzales spielten auf internationalem Niveau und abwechslungsreich. Beckmann war auch am Akkordeon zu hören, Gonzales spielte bei einigen Stücken auf den Keyboards mit dem schön dreckigen Sound einer elektrischen Orgel, und der Schlagzeuger wurde zum Teil von einer Rhythmusmaschine unterstützt.
Aber so gut sie auch spielten, richtig warm wurde einem auch bei den Rainbirds nicht, und völlig aus dem Häuschen, wie es von ihren anderen Konzerten berichtet wird, geriet keiner. Aber mehr konnte man von den fröstelnden Zuhörern nicht erwarten, die immer wieder zu den Wolken schielten, denn der Name der Gruppe hätte auch leicht zum Programm werden können. Willy Taub
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