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Die Robben schlagen zurück

Gigantische Invasion hungriger Grönland-Robben legt nordnorwegische Fischerei lahm / Robben finden im arktischen Gewässer keine Nahrung mehr / Norwegische Regierung ist ratlos  ■  Von Petra Bornhöft

Berlin (taz) - Während die giftgefüllten Wellen von Nord und Ostsee täglich neue Robbenkadaver ans Ufer spülen und die Zahl der lebenden Meeressäuger gen Null strebt, bewegt sich auf die nordnorwegische Küste eine gigantische Invasion von Grönland-Robben zu.

Wahrscheinlich über eine Million Tiere hat aus Nahrungsmangel die arktischen Gewässer verlassen und frißt sich durch den Fischbestand im Süden. Nach Angaben des Meeresforschungsinstitutes in Bergen hat die schwimmende Armada - ihr Hunger soll bereits die nordnorwegische Fischerei lahmgelegt haben - einen Gürtel gebildelt, der sich von den Lofoten-Inseln bis in sowjetische Gewässer zieht.

Mit diesem Verhalten rächen sich die Robben für den Entzug ihrer Nahrung. Jahrzehntelang haben nämlich die UdSSR und Norwegen dem Handwerk der Raubfischerei in der fischrechtlich gemeinsam verwalteten Barentssee gefrönt. Frech behaupten norwegische Behörden jetzt, nicht die Fischer, sondern die vollgefressenen Robben seien verantwortlich für den Rückgang des Dorschbestandes in der Barentssee. Vergeblich hat Grönland sich immer wieder gegen den „Dorschdiebstahl“ deutscher und anderer europäischer Fischer in arktischen Gewässern gewehrt. Hemmungslos plünderten die Nationen das Nordmeer.

Ebenso hemmungslos entwickelten Greenpeace, Brigitte Bardot und wer sich sonst noch dem Tierschutz verpflichtet fühlt, Kampagnen gegen das Abschlachten von Robbenbabys vor Neufundland. Dabei droschen sie reichlich unüberlegt auch auf diejenigen Fänger ein, deren Existenzgrundlage der Verkauf von Robbenfellen war. Unbeachtet blieb in Europa, daß zum Beispiel die Grönländer seit Jahrtausenden durch das Töten der Robben für den Erhalt des ökologischen Gleichgewichtes in der Arktis sorgten.

Als Greenpeace sich vor zwei Jahren zu einer müden Entschuldigung gegenüber der grönländischen Regierung durchrang, war es längst zu spät. Der europäische Markt für die Felle war zusammengebrochen - auch, weil die Damen der Gesellschaft es vorziehen, sich in langhaarige Puscheltiere zu hüllen. In der Arktis war der Robbenfang ökonomisch uninteressant geworden. Das nutzten die Tiere: Seit Ende der siebziger Jahre vermehrten sie sich rasant und bedrohen nun die Überreste des ökologischen Gleichgewichtes.

Angesichts der „explosionsartigen Ausbreitung“ der Robben herrscht bei der norwegischen Regierung, die in dieser Woche mit der Sowjetunion über höhere Fangquoten verhandeln will, Ratlosigkeit. Dabei ließe sich die Plage so einfach beseitigen: Ein bißchen Nordseebrühe erledigt den stärksten Seehund. Nähere Auskünfte könnte die Firma Kronos Titan erteilen.

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