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100 Tage Ortsamtsleiter

■ Dietrich „Hucky“ Heck hat das erste Vierundvierzigstel seiner Amtszeit hinter sich / SPD-Aufnahmeanträge statt Blumen / Besuch vom Sielwalleck

Blumen hat ihm keiner geschickt. Die SPD-Beiratsfraktion nicht, die Grünen nicht und der Innensenator auch nicht. Am 100. Tag seiner 4380-tägigen Amtszeit kriegte Viertel -Bürgermeister, Hucky Heck, gestern Besuch von ein paar Punkern. Und die kamen nicht zum Händeschütteln, sondern mit handfesten Plänen: Ein Lokaltermin war angesetzt, die gemeinsame Besichtigung eines Hauses. Mit mit der „Szene“ will der Ortsamtsleiter ein Wohnprojekt für Jugendliche organisieren.

Ob sich für sie in den letzten 100 Tagen was geändert hat? „Ne“, sagen die. „Immer noch keine Bude und keine Kohle“ und übersehen dabei doch eine Klei

nigkeit: Sie wissen inzwischen zumindest, wo das das Ortsamt ist, und den Ortsamtsleiter nennen sie nicht „Sie“ und „Herr Ortsamtsleiter“, sondern „Du“ und „Hucky“.

Am „Eck“ warten sie inzwischen auf 'ne Mülltonne, die der Ortsamtsleiter Hucky versprochen hat, damit der „Nerv“ mit den Imbißbuden-, und Reformhaus-Besitzern weniger wird. Das mit der Mülltonne ist „okay“. Bloß müssen die Giros -Verkäufer noch kapieren, daß sie genauso verantwortlich sind für den Müll wie die Punker.

Dem Viertelbürgermeister macht es sichtlich Spaß, daß er mit allen kann, mit der Szene genauso wie mit denen, die vor ein paar Jahren noch eine Bürgerwehr gegen die Szene organisieren wollten. Längst abgehakt ist das Hick-Hack um seine Wahl, wo der grüne Kandidat mit schwarzen Stimmen gegen eine sozialdemokratische Kandidatin durchgesetzt wurde. Inzwischen kündigen GenossInnen schon spaßhaft an, sie wollten dem Ortsamtsleiter einen SPD-Aufnahmeantrag zuschicken - so sozialdemokratisch finden sie ihn. Die FDP findet ihn eigentlich so liberal, daß er sich auch bei ihnen gut aufgehoben fühlen könnte, und selbst die CDU im Beirat hält ihn für christlich genug, um in ihren Reihen Kommunalpolitik machen zu können. Meinungsverschiedenheiten gibt es am ehesten mal mal mit den Grünen. Dort legte man dem Ortsamtsleiter kürzlich nahe, er möge doch „gleich zu Geißler gehen“. Heck hatte über fehlende Kindergartenplätze laut folgendes gedacht: „Für Kindererziehung sind für mich immer noch erst die Eltern und dann der Staat zuständig.“

Und dann gibt's noch die Ämter: Das Liegenschaftsamt, das Amt für Straßen-und Brücken

bau, das Bauordnungsamt, deren Vorlagen, Anträge und Pläne täglich über den Ortsamstleiter-Schreibtisch gehen. „Vor 100 Tagen“, gesteht der Ortsamtsleiter, „waren Aktenzeichen für mich noch Geheimcodes“. Damit kann er jetzt umgehen. Nicht gewöhnt hat er sich jedoch daran, daß BürgerInnen für Behörden oft vor allem ein „Planungshindernis“ darstellen. Parkplatzsorgen, Verkehrsberuhigungs-Maßnahmen, Drogenprobleme - in vielen Punkten könnte man im Viertel weiter sein, wenn Behörden stärker miteinander und mit den Bewohnern arbeiten würden und gemeinsam Ideen für ein Lebendiges Leben im Viertel entwickeln würden. Wie das im Kleinen klappen könnte, hofft der Ortsamtsleiter z.B. in der nächsten Werder-Spielzeit ausprobieren zu können. Für die vielen Besucher soll ein Park & Ride-Service eingerichtet werden. Und damit der auch genutzt wird, sollen Nebenstraßen gesperrt bleiben, während Werder kickt - aber nicht polizeilich, sondern von den Anwohnern. Leute, die das „selbst organisieren“, die Straßensperren im privaten Keller lagern, vor den Fußballfesten auf-und hinterher wieder abbauen, sind ab sofort gesucht.

K.S.

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