piwik no script img

Todesschuß-Politik gebilligt

Nordirische Polizeibehörde leitet kein Disziplinarverfahren gegen ranghohe Beamte ein / Oberpolizisten hatten „shoot to kill“ angeordnet / Bericht der Untersuchungskommission darf nicht veröffentlicht werden / Beschluß verschlechtert anglo-irische Beziehungen  ■  Aus Dublin Ralf Sotscheck

Gegen die drei ranghöchsten Beamten der nordirischen Polizei (RUC) wird kein Disziplinarverfahren eingeleitet. Das beschloß am Mittwoch die nordirische Polizeibehörde mit nur einer Stimme Mehrheit. Den drei Oberpolizisten war vorgeworfen worden, die RUC-Todesschuß-Politik („shoot to kill“) im Jahr 1982 angeordnet und Untersuchungen darüber behindert zu haben.

Im November und Dezember 1982 hatten Beamte der RUC -Sondereinheit E4A (die auch an der Erschießung der drei IRA -Leute im März in Gibraltar beteiligt war) sechs unbewaffnete „mutmaßliche IRA-Terroristen“ mit ihren Kugeln regelrecht durchsiebt, ohne auch nur den Versuch zu machen, sie festzunehmen. In einem Fall feuerten die schießwütigen Beamten 105 Kugeln auf ihr Opfer ab. Bei dem 17jährigen Michael Tighe, der in einer Scheune ohne Vorwarnung erschossen wurde, konnten nicht einmal Verbindungen zu paramilitärischen Organisationen festgestellt werden. Die RUC setzte daraufhin eine Untersuchungskommission ein, um Kritiker zum Schweigen zu bringen. Der Polizist John Stalker aus Manchester, der die Kommission leitete, entpuppte sich jedoch als „ehrlicher Bulle“. Obwohl er auf eine Mauer des Schweigens stieß, führten ihn seine Untersuchungen bis in die höchsten RUC-Ränge. Als er auch noch einer Beteiligung des britischen Geheimdienstes MI-5 an der Erschießung von Michael Tighe auf die Spur kam, wurde er mit Hilfe konstruierter Anschuldigungen vom Dienst suspendiert. Stalkers Kollege Sampson aus Yorkshire stellte den Untersuchungsbericht fertig.

Bereits im Januar hatte der britische Generalstaatsanwalt Mayhew entschieden, daß keiner der beteiligten RUC-Beamten strafrechtlich verfolgt werde, obwohl Beweise gegen sie vorlägen. Darüber hinaus dürfe der Bericht nicht veröffentlicht werden. Der Beschluß der nordirischen Polizeibehörde nicht einmal ein Disziplinarverfahren einzuleiten, stieß in der Republik Irland auf Empörung und löste eine erneute Verschlechterung der anglo-irischen Beziehungen aus. RUC-Chef Sir John Hermon zeigte sich dagegen zufrieden, obwohl die knappe Mehrheitsentscheidung eher einem Mißtrauensvotum entspricht. Hermon sagte, er habe immer gewußt, daß er von einer Untersuchung nichts zu befürchten habe. Um die Farce komplett zu machen, liegt die Entscheidung jetzt bei Hermon, ob gegen die an den Erschießungen beteiligten Polizisten unterer Ränge ein Disziplinarverfahren eröffnet werden soll.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen