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Knofel

■ Knofels Theorie über das realistisch Schreiben für fünfzig Pfennig pro Zeile

Realistisch schreiben, sagte Knofel, heißt eine sache um ihrer selbst willen tun. Und er berichtete in diesem zusammenhang ein erlebnis, nämlich wie ihm zwischen Wiesbaden und Frankfurt im abteil ein mann im schwarzen anzug gegenübergesessen und sein leben erzählt hat, ganz ohne anklage oder stolz.

Er komme, so erzählte knofels gegenüber, gerade von der beerdigung seines schwagers, deshalb der schwarze anzug, zweihundertdreißig mark. Nach langer zeit habe er viele seiner verwandten wiedergesehen, und obwohl er sich am blumenkranz, hundertzehn mark, seiner schwester und seiner nichte mit vierzig mark beteiligt habe und auch andere familienmitglieder zusammengelegt hätten, seien doch erstaunlich viele kränze um den sarg, neunhundert mark, aufgebaut gewesen.

Verwandtschaft könne er nur gelegentlich ertragen, dennoch sei das beisammensein beim gemeinsamen abendessen mit vorsuppe, vierzehn mark pro person, recht gemütlich gewesen. Anschließend hätten jedoch einige dem bier, zweidreißig, und dem korn, zweifünfzig, allzu gründlich zugesprochen, während er es mit mäßigem trinken halte und bevorzugt mit wein, vier mark.

Über allem sei es doch so spät geworden, daß er mit dem taxi, zwölf mark, zu dem vorsorglich von seiner schwester reservierten hotelzimmer, sechsunddreißig mark, gefahren sei.

Zum frühstück, im preis inbegriffen, habe es als einzige auflage zum brötchen marmelade gegeben.

Jetzt, auf dem heimweg, fahrkarte zweiundzwanzig mark fünfzig, freue er sich doch auf die gewohnte ruhe seiner eigenen wohnung, dreihundertdreißig mark monatlich.

Realistisch schreiben, fügte Knofel hinzu, habe nun mal viel mit der Wirklichkeit zu tun.

Peter Dahl

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