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Geprelltes Schlitzohr

Das Schisma haut ein Loch in die Finanzen des Vatikan / Katzenjammer in Rom nicht aus Besorgnis um arme Seelen / Erzbischof Lefebvre sitzt auf 50 Millionen Mark Gläubigengeld  ■  Aus Rom Werner Raith

Katerstimmung im Vatikan: Das Schisma ist da, Lefebvre ist exkommuniziert und zeigt trotzdem keine Reue. Doch weniger die Theologen unter den Kurialen zeigen Bestürzung; für die Jesuiten zum Beispiel ist eine „klare Trennung immer besser als unklare Kompromisse“. Die Franziskaner sehen erfreut das „Ende einer recht zweifelhaften Kungelei“, und selbst Helfer des reaktionären Großinquisitors Kardinal Ratzinger zeigen sich erleichtert, daß „wir diesen ewigen Zuckerbrot-und -Peitsche-Fall hinter uns haben“.

Katzenjammer also nicht bei den ums Seelenheil Besorgten; doch umso mehr in zwei anderen Quartieren von Sankt Peter im Presseamt, verantwortlich für das Image des medienvernarrten Papstes - und im Schatzamt des Heiligen Stuhles. Die Presseleute ringen die Hände, weil ihr seit Jahren als Einigungsapostel aller Christen und gleichzeitig als Schlitzohr verkaufter oberster Chef sich von einem eher spröde wirkenden Franzosen hat über den Tisch ziehen lassen

-nachdem der Papst Anfang 1988 die „Aussöhnung“ mit Lefebvre persönlich bekanntgemacht hatte, wirft ihm der den Fehdehandschuh hin, bezeichnet ihn als „Antichrist“ und führt dazu auch noch böse Belege an (u. a., daß Johannes Paul II. bei seiner jüngsten Reise nach Messina die Aufstellung seines eigenen Denkmals gebilligt habe.

Schlimmer freilich noch die Situation für die Finanzmenschen im Vatikan - waren doch gerade sie es, die dem Papst die „weiche Linie“ gegenüber dem aufmüpfigen Franzosen verordnet hatten: Kehrt Lefebvre zurück, so ihr Argument, entsperrt der Erzbischof umgerechnet fast 50 Millionen Mark Gläubigengeld, die er seit seiner Amtsenthebung vor fünf Jahren blockiert. Und diese 50 Millionen waren ein fest in den Haushalt 1988 eingeplanter Posten - dringend nötig, seit die Vatikanbank IOR in den Skandal um die kriminelle Loge P2 verwickelt war und in permanenten Geldnöten schlingert.

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