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New York City, here we come

■ „Der Mann im Hintergrund“: Ein unterhaltsamer, handwerklich perfekter Großstadtthriller von Ridley Scott, der in diesem Film sein Gefühl für Räume beweist

Wer kennt nicht diese Situation? Der Abend ist lahm, im Fernsehen läuft nichts gescheites und sonst ist auch nichts los in der Stadt. Also ab ins Kino. Ein Blick ins Programm erzeugt auch nur langanhaltendes Gähnen, aber sieh doch mal, „Der Mann im Hintergrund“ von Ridley Scott. ist das nicht der Regisseur, der auch „Blade Runner“ gemacht hat? Ein Großstadtthriller soll es sein'das könnte doch interessant werden.

Es ist immer etwas gefährlich, allein vom Namen eines Künstlers und einem beschränkten Ausschnitts seiner Werke bestimmte Erwartungshaltungen einzunehmen, doch bei „Der Mann im Hintergrund“ sind positive Querverweise zu seinem „Kult„-Vorgänger durchaus angebracht. Denn schon die Annäherung, im wörtlichen Sinne, weist auffällige Parallelen auf. Die Kamera fährt in großer Höhe auf das nächtliche New York zu, vorbei an erleuchteten Wolkenkratzern und schwebt weiter über belebte Avenuen entlang glitzernd brodelnder Straßenschluchten. New York City, here we come.

Und schon tauchen die Betrachter ein in das pulsierende Nachtleben einer stinkreichen Gesellschaft. Daß Ridley Scott über eine imposante Bildsprache verfügt, ist sicher. Hyper -Eleganz, wohin das Auge schaut, alles ist „hip“ und mörderisch teuer. Das monetär-laszive Yuppie-Ambiente wird jäh durch einige Stilettstiche in den Körper des betuchten Gastgebers durcheinandergebracht. Doch der meuchelnde Täter am Mamorpool blieb nicht unbeobachtet. Clare (Mimi Rogers), die ebenso junge wie wohlhabende Schöne muß fortan um ihr exklusives Leben fürchten. Doch Menschen ihrer gesellschaftlichen Position steht ein umfassender Personenschutz zu und eben diesen übernimmt ausgerechnet Mike (Tom Berenger). Gerade von seiner Beförderungsfete zum Jung-Kriminalen stockbetrunken ins Bett gekippt, muß er sich schon um das Wohl seiner illustren Schutzbefohlenen kümmern. Das ist in der piekfeinen Penthouse-Wohnung, in der selbst die Köchin mitleidig lächelnd auf ihn herabblickt, gar nicht so leicht.

„Wahnsinn“, entfährt es Mike beim Anblick des Spiegelsalons. Spätestens hier ist die Einsicht der Betrachter geweckt: Dieser Regisseur hat ein Gefühl für Räume. Er vermag Räumlichkeiten zu inszenieren. Seine Sicht einer Mamor-Säulenhalle im Licht eines Gewitters macht große Augen. Scott hat die Gabe, einer Filmhandlung dadurch zusätzliches Gewicht zu verleihen, daß er eine perfekte Ausgewogenheit zwischen einem Raum und dem Licht herstellt. So verdichtet sich zum Beispiel die Athmosphäre im Autofond durch das Blitzlichtgewitter der Photographen vor dem Guggenheim-Museum zur bedrohlichen Situation. Wird gleich aus dem grellen Zucken die Mörderhand hervorschnellen? Bläulich aschfahl gestaltet sich die Szenerie in den Augenblicken der Spannunng. Hell-Dunkel-Kontraste, Schatten und harte Lichtreflexe sorgen für ungewisse Momente von „suspense“. Im Gegensatz dazu beherrschen goldbraune und warmgelbe Farbtöne den Bildeindruck in Augenblicken tatsächlicher oder vermeintlicher Harmonie. Mike und Clare

kommen sich näher und dann sehr nah. Die Farbe ihrer Körper, des Lampenlichts und selbst ihrer Aperetifs verschmelzen zur wogenden Weizenfeld-Assoziation in der Abendsonne.

Soviel fragiles Liebesglück kann natürlich nicht gutgehen in einem Thriller. Mike's Ehefrau (Lorraine Bracco), die ebenso treusorgende wie clevere Mutter des gemeinsamen Sohnes, wittert die heimliche Affaire. Sie wirft ihren verwirrten Jungbullen aus dem Haus. Für Mike spitzt sich die Situation damit dramatisch zu. Der Killer geistert weiter durch die Stadt und macht nicht vor weiteren Morden halt. Mike's Gefühle befinden auf einer Achterbahnfahrt und zu schlechter Letzt geraten Frau und Kind in die Hände des kirren Mörders.

Das ist nicht sensationell aber handwerklich perfekte Kinounterhaltung. Ridley Scott bettete eine Dutzend -Dramaturgie in einen maßgeschneiderten Bilderrahmen. So etwas stimmt versöhnlich an einem Abend, an dem nun gar nichts los zu sein scheint...

J.F.Sebastian

Schauburg, 23 Uhr

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