: Steuerschnüffelei bei Vobos gekippt
Berliner Finanzsenator nimmt Erlaß gegen Volkszählungsgegner zurück / Er gibt zu, bereits bei 40 Vobos in Steuerakte geschnüffelt zu haben / Bisher ist unklar, ob diese Schnüffelei gerichtliches Nachspiel hat ■ Aus Berlin Vera Gaserow
Mit überraschender Eile hat der Berliner Finanzsenator seine Anweisung an die Finanzämter zurückgezogen, bei rund 6.000 Volkszählungsgegnern Einsicht in die sonst strikt geheimen Steuerakten zu nehmen. Nur einen Tag, nachdem die taz über den geheimen Erlaß berichtet hatte, machte Finanzsenator Rexrodt (FDP) einen Rückzieher. Der Erlaß vom 1.Juni dieses Jahres sollte die Finanzämter ermächtigen, durch Einblicke in die Steuerakten bei Boykotteuren die Zwangsgelder leichter einzutreiben. Der Finanz-Senator hatte diese Aufhebung des Steuergeheimnisses - sonst nur bei schweren Wirtschaftsvergehen, Verbrechen gegen Leib und Leben oder den Staat praktiziert - mit dem „zwingenden öffentlichen Interesse“ an der Zählung begründet.
Außer dem Datenschutzbeauftragten hatten die AL und die SPD scharf gegen den „völlig unverhältnismäßigen“ Erlaß des Finanzsenators protestiert, und auch bei Rexrodts FDP -Kollegen regte sich Kritik. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Schneider, hatte darauf verwiesen, daß es während der gesamten parlamentarischen Untersuchungen über den Berliner Bau-Sumpf nicht gelungen war, Einsicht in die Steuerunterlagen der verdächtigten Bauunternehmer und Politiker zu nehmen.
Nachdem ein Sprecher des Finanzsenats noch am Mittwoch mitgeteilt hatte, eine solche Steuerschüffelei sei durchaus üblich, hieß es am Donnerstag, man werde den Erlaß „überprüfen“. Am Freitag war die Anweisung dann vom Tisch. Man habe den Blick in die Steuerakten für ein „milderes Mittel“ als andere Pfändungsmöglichkeiten gehalten, entschuldigte sich der Finanzsenator. Angesichts der „äußerst geringen Zahl von Boykotteuren“ halte man dieses Vorgehen jedoch nun nicht mehr für angemessen.
Bei rund 40 Volkszählungsgegnern, so räumte Rexrodt ein, habe man bisher auf die Steuerakten zurückgegriffen. Ob diese Zahlenangaben stimmen, wird man jedoch nur schwer feststellen können. Denn Volkszählungsboykotteure können nur indirekt kombinieren, ob sie Opfer dieser amtlichen Schnüffelei geworden sind. Wenn z.B. das Zwangsgeld von einem Spar- oder Gehaltskonto, das zuvor beim Lohnsteuerjahresausgleich nicht angegeben wurde, weggepfändet wurde, liegt ein Indiz vor. Auch Lohnpfändungen an bisher nicht genannten Arbeitsstellen können ein solches Verdachtsmoment sein. Bisher ist noch unklar, ob die Berliner Schnüffelpraxis ein juristisches Nachspiel haben wird.
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