: Italien höhlt Streikrecht aus
Zum erstenmal seit 1948 wird Italiens Streikrecht einer „Ordnung“ unterworfen / Einschränkungen für die „wesentlichen Bereiche des öffentlichen Dienstes“ / Der erste größere Erfolg der Regierung de Mita ■ Aus Rom Werner Raith
Nach dem Willen aller italienischen „Verfassungsparteien“, die 1948 die republikanische Verfassung verabschiedeten, sollen Streiks in Italien fortan genau reglementiert werden. Für die Aushöhlung des liberalsten Streikrechts der Welt sind neben Christdemokraten und Sozialisten auch die Kommunisten. Betroffen ist zunächst der öffentliche Dienst, genauer gesagt die „wesentlichen Bereiche des öffentlichen Dienstes“, - das Gesetz definiert sie nicht weiter. Dort soll in Zukunft jeder Streik zehn Tage vorher angemeldet werden, muß jederzeit das „volle Funktionieren der betreffenden Einrichtungen sichergestellt sein“, können Beamte und Angestellte auch ohne ausdrückliche Feststellung eines Notstandes zwangsweise zur Arbeit verpflichtet werden. Zum ersten Mal unterwirft Italien seine Streiks einer „Ordnung“.
Ein wichtiger Grund-Konsens der italienischen Gesellschaft war, daß nach dem Faschismus mit seinen Streikverboten sich die Arbeiterschaft machtvoll als Garant der Demokratie organisieren und artikulieren können sollte, und zwar sowohl tariflich wie politisch. Die Großgewerkschaften CGIL (kommunistisch dominiert), CISL (katholisch) und UIL (sozialistisch) hatten sich denn auch bisher jeder Reglementierung widersetzt und lieber in ihre eigenen Statuten Normen zur „Selbstdisziplinierung“ eingefügt. Doch von den Großgewerkschaften kommt diesmal kein Widerstand, ebensowenig wie von der Kommunistischen Partei. Seit die Großindustrie im Verein mit dem sozialistischen Ministerpräsidenten Craxi Mitte der 80er Jahre die Massengewerkschaften endgültig auf Null-Einfluß brachten, haben sich allenthalben winzige autonome Gewerkschaften und Basiskomitees etabliert, die ohne Vorankündigung streiken und mit oft wenigen Arbeitsniederlegungen große Teile des Zugverkehrs, der Flughäfen, der öffentlichen Ämter lahmlegen. Auf diese Winzlinge zielt das neue Gesetz, und den Bossen von CGIL, CISL und UIL ist das nur recht.
In über 500 Zusatzanträgen hat allerdings die kleine Partei der Demoproletarier sämtliche restriktiven und auch arbeitsrechtlich bedenklichen Punkte des Gesetzeswerkes aufgelistet und als „Weichenstellung hin zum Abbau sämtlicher fundamentaler Rechte der Werktätigen“ bezeichnet. Für die Regierung De Mita ist die Verabschiedung dieses Gesetzes der erste größere Erfolg - nach drei Monaten Arbeitszeit konnte immerhin einer der gut zwanzig Programmpunkte seiner Regierung abgehakt werden.
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